Das neueste Buch der Autorin M. D. Minkels, gelistet und seit dem 15.1.2018 in allen deutschen, österreichischen, Schweizer, ... Buchhandlungen bestellbar:

 

 

 

 

Margret Dorothea Minkels

 

Alexander  von Minutoli,

der Gründer des 1. Kunstgewerbemuseums der Welt (1844).

 

 

Mit einem Beitrag von

Zygmunt Wielowiejski

zur frühen Fotografie

 

ISBN 978-3-7460-6952-1

 

 

Cover, Inhaltsverzeichnis und Leseprobe finden Sie unter:

 

https://www.bod.de/s?k=lqp8m3bbjnc

Hiermit bedanke ich mich herzlich für die zahlreichen begeisterten Reaktionen  aus dem In- und Ausland über die vielen Fakten und das Bildmaterial in diesem Sachbuch!

Es wird offensichtlich an mehreren Stellen in Europa mit Freude in meinem Buch geforscht!

 

Aussage im RBB am 18.3.2013:

"Am 18. März 1848 ließ der preußische König auf Tausende im Tiergarten versammelte Menschen schießen."

Diese Aussage entspricht nicht den historischen Tatsachen!

 

Informieren Sie sich hier!

 

 

170 Jahre seit der Märzrevolution.

Tägliche Berichterstattung als Fortsetzungsserie - mit Textstellen aus meinen verschiedenen Büchern!

 

Die meisten Fakten wurden schon 2003 in meinem Buch aufgeführt:

 

1848 gezeichnet. Der Berliner Polizeipräsident Julius von Minutoli. Norderstedt 2003.

Julius von Minutoli (1804-1860), 1847 und 1848 Berliner Polizeipräsident

Revolutionäre Ereignisse in Europa Anfang 1848:

In Neapel war am 8. Januar 1848 eine Revolution ausgebrochen.

 

Nachdem die Nachricht von der Revolution am 23. Februar in Frankreich der Berliner Bevölkerung bekannt geworden war, berichtete der Agent Jacoby dem Polizeipräsidenten  v. Minutoli am 27. Februar:
<An öffentlichen Orten findet jetzt infolge der Details der Pariser Ereignisse dieselbe Aufregung wie im Jahre 1830 statt. Doch bemerkt man, dass der Bürgerstand und dass die Mittelklasse sich weit gemäßigter wie damals äußern. Sie beklagen die Konzessionen, welche durch den Ministerwechsel den Straßenexzessen gemacht sind und sie befürchten eine Allgemeine Proletarierrevolution. Die Jugend hingegen äußert sich auch bei uns sehr heftig revolutionär und fast glühend. ... Die Äußerung der Handwerker im Volk ist sehr
bezeichnend: Der König von Frankreich ist abgesetzt worden.

Was geschah ab dem 1. März 1848?

Am 1. März 1848 hatten Unruhen im Schweizer Kanton Neuenburg die dortige preußische Herrschaft beendet.

Anfang März hatten der Großherzog von Hessen und der Fürst von Nassau alle Forderungen der dortigen Bevölkerung bewilligt.

Vor dem ungarischen Unterhaus hatte Lajos Kossuth am 3. März eine parlamentarische Regierung verlangt.

Was geschah in Berlin?

 

Am 6. März kam eine Nachricht auf den Schreibtisch des Berliner Polizeipräsidenten Dr. Julius von Minutoli:

Gestern soll in der Auguststraße in einer Bierbrauerei eine Bürgerversammlung von 300-400 Personen stattgefunden haben, wo politisch diskutiert wurde und es nahe daran war, dass die Leute zu Krauseneck hinzogen. Die Radikalen unter Nauwerks Leitung haben bereits elf Namen für ihre Pläne genannt; Veit, Heimann, Behrends (der Kaufmann) usw. sollen gewonnen sein. Das Ganze wird geheim gehalten. Es wird daran gearbeitet, die Universitäten in Breslau, Königsberg und Halle zu Adressen an seine Majestät zu vermögen. Hamburg war gestern ziemlich ruhig.

Der Polizeipräsident ging am 6. März um 10 Uhr zum König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.

 

Für diesen Tag hatten einige Studenten der Bauakademie, die sich in der Zeitungshalle getroffen hatten, zu einer Versammlung In den Zelten eingeladen. […] Es waren jedoch kaum mehr Teilnehmer gekommen, als den Plan ursprünglich gefasst hatten. Drei Mitglieder der Versammlung wurden beauftragt, bis zum nächsten Tag eine <Adresse der Jugend> an den König zu formulieren.

 

In der preussischen Hauptstadt mit einer Bevölkerung von ca. 340.000 Personen  führten zehn Gendarmen Aufsicht in den Straßen und auf einzelnen Plätzen, 16 patrouillierten zu Fuß und vier zu Pferd. 

Der Polizeipräsident erhielt am 7. März eine Mitteilung von Roggenstein/ Polizeimelderegister: Gestern Nachmittag zwischen 3 und 4 Uhr war ich in der Konditorei von Stehely und abends zwischen 7 ½ bis 9 ½ auch. Unter den Personen, welche dort anwesend waren, sind ein von Holzendorff […] Anmerkung am Rand zu Holzendorff: <Von Holzendorff-Vietmannsdorf, Verfasser der bekannten Adresse der 40 Bauern. Er las gestern bei Stehely eine wütende Adresse der Badischen Bürger öffentlich vor und legte es darauf an, sich bemerklich zu machen. […] Hofrichter

 

Es kam noch ein zweiter Bericht von Jacoby, datiert vom 7ten März: Bei einzelnen Bezirksvorstehern soll eine Interpellation an den König ausliegen, welche ziemlich loyal gehalten, um Einberufung der Stände bittet. Die Nauwerksche Adresse verlangt Pressefreiheit und Volksbewaffnung.

Karl Nauwerk war Rede begabter Stadtverordneter.

 

 

Versammlungen in den Zelten - vor den Toren Berlins.

Die 1. Volksversammlung am 7. März.

Zu der Versammlung In den Zelten waren am 7. März 600 Männer verschiedener Stände und Bildungsstufen gekommen.

Der Kandidat der Philologie Löwenberg hatte einen Entwurf für einen Forderungs-katalog, eine Adresse an den König formuliert, den er am 7. März vorstellte:

1. Preßfreiheit, 2.) Redefreiheit, 3.) Amnestie für alle politischen und Preßvergehen, 4.) freies Versammlungs- und Vereinigungsrecht, 5.) gleiche politische Berechtigung Aller ohne Unterschied der Religion und des Besitzes, 6.) Geschworenen - Gerichte und Unabhängigkeit der Richter, 7.) Verminderung des stehenden Heeres und Volksbewaffnung mit freier Wahl der Führer, 8.) allgemeine deutsche Volksvertretung, 9.) schleunige Einberufung des Vereinigten Landtages.
Erst am 8. März erhielt der Polizeipräsident einen Brief, der um 7 Uhr am
Morgen über die gestrige 2. Zeltenversammlung geschrieben worden war:
Am 7. März von 8 Uhr bis 2 Uhr nachts kamen 2 Adreßentwürfe zur Beratung.
Präsident der Sitzung war ein gewisser Löwenberg, Oberwallstr.6, 2 Treppen
hoch wohnhaft, gesprochen haben: Dr. Chasté, Löwinson, Wirth, Löwenheim,
Meyer, Schwarz, Dr. Oppenheim, Strassmann, Förster, Dr. Wolff, Lange, Bader.
200 Köpfe reden bei offener Tür. Debatte In den Zelten. Es wurde beschlossen, 10
Abschriften der Deputation auszulegen, um Unterschriften zu sammeln, im
Handwerkerverein, im Verein der Freimütigen, im Verein der Hutfreunde, in der
Zeitungshalle, bei Scheible, Markgrafenstraße 49.In die Deputation zur
Überreichung der Adresse an den König wurde gewählt: Dr. Oppenheim, Bader,
Wirth, Lange, Straßmann, Förster und Dr. Schasler.

Der Polizeipräsident Minutoli am 8. März in der Zeitungshalle!

Nachdem der Polizeipräsident dem König am Morgen des 8. März von der
gestrigen Volksversammlung berichtet hatte, machte Minutoli den ungewöhnlichen Vorschlag, dass er selbst in die Berliner Zeitungshalle gehe, da der Lesesaal als Vereinigungspunkt der Deputation der gestrigen Volksversammlung festgelegt worden war.

Am Vormittag war ihm (von Herrn Maron?) mitgeteilt worden, dass sich die auf der gestrigen Zeltenversammlung gewählten Deputierten jetzt gerade in der Zeitungshalle aufhielten, begab er sich in seiner Uniform mit den großen Epauletten zum Zeitungsredakteur Dr. Gustav Julius. Er sagte ihm, dass er gekommen sei, um den Deputierten der Zeltenversammlung eine Mitteilung zu machen. Die Mitglieder dieser Deputation seinen, wie er erfahren habe, in diesem Augenblicke in dem Lokal der Zeitungshalle anwesend. Um Aufsehen zu vermeiden, ersuche er den Besitzer ihm in dessen Privatzimmer die Unterredung mit den bezeichneten Herren zu gestatten.

Dr. Julius war die Konzession für die Zeitung nur auf Widerruf gegeben worden und er musste immer befürchten, Minister von Bodelschwingh würde ihm die Bude schließen.

Nachdem er die ihm bezeichneten Herren in dem Institut hatte aufsuchen lassen, fanden sich im Redaktionszimmer vier (oder fünf) Mitglieder der Deputation ein. ...

Der Polizeipräsident empfing die Herren mit der Äußerung, dass, da er genau von allem, was in der gestrigen Versammlung vorgekommen, in Kenntnis gesetzt sei, er auch die Namen der Herren wisse, die zu dem von der Versammlung bestimmten Zwecke sich hier versammelt hätten.

Dann begrüßte er die Eingetretenen und die übrigen Mitglieder mit Namen, darunter die Herren Löwenberg, Dr. Schasler und Dr. Löwinson. Minutoli bemühte sich, seine Rede freundlich klingen zu lassen. Er teilte jenen mit, wie er der gestrigen Versammlung durchaus nichts in den Weg habe legen wollen, weil er den Drang der Zeit zu würdigen wisse. Er freue sich ferner, dass die Leiter der Bewegung einen außerhalb der Stadtmauern Berlins gelegenen Versammlungsort für ihre Zwecke bestimmt haben, wodurch die Polizei der unangenehmen Pflicht enthoben worden sei, Maßregeln gegen das Zustandekommen der Versammlung, die innerhalb der Stadt nicht hätte geduldet werden können, zu ergreifen.

Da sie die Adresse nicht persönlich an den König übergeben könnten, bezeichnete der Polizeipräsident speziell den Weg durch die Stadtpost als den unter solchen Umständen
geeignetsten für eine schnelle Beförderung der Adresse an den König. Er wolle sich mit seinem Ehrenwort dafür verbürgen, dass sie der König pünktlich erhalten werde. Herr Löwenberg und Dr. Löwinson erklärten hierauf, dass sie auf diesen Vorschlag des Präsidenten keine Zusicherung geben könnten, da sie zu einer solchen von der Versammlung nicht beauftragt seien.

 

Viel los am Donnerstag, den 9. März!

Um 10 Uhr kam die Meldung, dass <In den Zelten im Tiergarten eine Versammlung von 1.500 Menschen sich befinde, unter denen etwa 40 sich bemühten, die übrige Masse zu einer Massendemonstration aufzuregen.

Seine Majestät befahl, dass eine Verbindung über die zu treffenden Maßregeln mit dem Minister von Bodelschwingh, dem Polizeipräsidenten und dem Militär [...] erfolgen sollte.>

Die Wache im Schloss wurde um 50 Mann verstärkt und scharfe Patronen, 10 Stück pro Mann, in den Kasernen verausgabt.

Um Viertel vor 11 Uhr ging der Geheime Rat Alexander von Humboldt zum König.

Um 12 Uhr traf die Nachricht ein, dass die Versammlung anfing, sich zu zerstreuen.

 

 

Überfüllung im Sitzungssaal der Stadtverordneten.

Der 150 Personen fassende Sitzungssaal der Stadtverordneten im Cöllnischen Rathaus in der Breiten Straße war überfüllt. Auf den Gängen, im Treppenhaus und dem Vorplatz des Rathauses drängten sich Menschen. Es wurde eine Kommission gewählt, die innerhalb von 24 Stunden ein Schriftstück an den König <mit den Forderungen der Zeit> abfassen sollte. Julius Berends arbeitete in der Kommission zur Formulierung einer Adresse mit.

 

Die 2. Volksversammlung in den Zelten  - am 9. März.

Zwei Stunden nach dem Ende der Stadtverordnetenversammlung begann die
Volksversammlung in den Zelten. Obwohl trübes Wetter bzw. sogar Schnee und
Temperaturen zwischen - 0,5°C bis +8 °C angekündigt waren, fanden sich am Abend bei der dritten Versammlung In den Zelten schon 3.000 bis 4.000 Personen ein, darunter viele Arbeiter. Viele trugen eine Rosette mit schwarz-rot-gold am Hut. Die  Bundesversammlung hatte den alten deutschen Adler zum Wappen und Schwarz, Rot, Gold zu den Farben des deutschen Landes erklärt.

Inspektor Gsellius und Polizeikommissar Lorré standen im Saal; denn es war geplant, Fremde zu verhaften. Da der Raum nur 800 Menschen fasste, mussten die meisten im Freien stehen. Viele trugen wieder eine Rosette mit schwarz-rot-gold am Hut.

Der Polizeipräsident stand zu Pferd in Zivilkleidung in der Nähe und beobachtete die Versammlung. Durch seine Kundschafter erhielt er alle fünf Minuten Bericht. Auch Minister von Bodelschwingh war in Zivil dort.
Durch die geöffneten Fenster und Türen bemühten sich die im Freien Stehenden
mitzuhören, was drinnen gesprochen wurde. Anfangs wurde über die deutsche
Sache gesprochen, insbesondere für die deutsche Flotte. Der Polizeipräsident fand diesen Gegenstand unverfänglich. Er meinte: „Das große Spielwerk kann man dem deutschen Michel schon erlauben.“

Nachdem der Vorsitzende Löwenberg die von ihm formulierte Adresse nochmals vorgelesen hatte, traten auch andere Redner auf.

 

Der Polizeipräsident betritt spontan die Rednertribüne.

 Als der Minister die Situation mit eigenen Augen gesehen und eingesehen hatte, dass es unmöglich war, unter 4.000 Versammelten die Fremden zu verhaften, nahm er den Verhaftungsbefehl für auffällige Fremde zurück.

Der Polizeipräsident und der Minister von Bodelschwingh beschlossen, diese Versammlung ebenso wenig wie die am 7. März aufzuheben, <weil die Leiter und das Unternehmen selbst so wenig Sympathie im Publikum gefunden hatten, dass es angemessener erschien, die Sache der öffentlichen Kritik zu überlassen, als durch Zwangsmaßnahmen derselben ein zu großes Gewicht beizulegen und Gewalt zu provozieren.>

 

Bei der Versammlung wurde über die Art diskutiert, wie die Adresse dem König
überreicht werden sollte. Die vom Polizeipräsidenten vorgeschlagene Versendung
mit der Post wurde als der Würde der Versammlung nicht angemessen verworfen. Daraufhin betrat der Polizeipräsident spontan die Rednertribüne. Er beruhigte die Anwesenden, wies aber deutlich auf die Unmöglichkeit hin, die Adresse dem König selbst zu überreichen. Dann verließ er die Versammlung, die noch bis Mitternacht dauerte.

Endergebnis: Die Adresse sollte an Stadtverordnete übergeben werden.

Die Inspektoren berichteten dem Polizeipräsidenten am folgenden Tag das Endergebnis: Die Adresse sollte an Stadtverordnete übergeben werden.  Des Königs sei nur in ehrerbietiger Weise Erwähnung geschehen.

 

 

Am  9. März kam der vor sieben Tagen ernannte neue Gouverneur von Berlin, General Ernst von Pfuel, Julius von Minutolis ehemaliger Schwimmlehrer, in Berlin an. Der Thronfolger und ein Teil der Berliner Militärs waren ihm gegenüber kritisch eingestellt, obwohl Pfuel seit 1825 General war.

 

 

Aufgefundene Handzettel.

Auf einem der aufgefundenen Handzettel und ins Polizeipräsidium gebrachten Handzettel stand:

Aufruf an alle Studenten! Zur Revolution am Sonntag Abend 7 h vor dem Schlosse. Keine Revolution ohne Blutvergießen. Wir verlangen vom Könige, was alle Städte jetzt verlangen u. noch mehr: allgemeine vollständige Konstitution, Pressefreiheit ,starke Verminderung des Militärs, Wegschaffung der vielen Offiziere, Bildung einer Nationalgarde, allgemeines Wahlrecht und Wählbarkeit der Gemeinen, Herausgabe des Privatvermögens des Königs und der Prinzen, denn es ist dem Volke seit Jahren herausgepresst oder gestohlen. Die Prinzen dürfen nicht mehr Gehalt haben, als was sie als Generäle verdienen. Der ganze königliche Haushalt soll vermindert werden. Die vielen unnützen, lächerlichen Bauten (burgähnlich), die so teuer sind, sollen vereinfacht
werden. Freies Zigarrenrauchen in der Stadt und vor dem Tore. Pinolzki

 

Nachdem der preußische Innenminister Bodelschwingh dem König am 8. März erklärt hatte, dass eine Konstitution nicht zu umgehen sei, stimmte Friedrich Wilhelm IV. am 9. März dem Prinzip der Gewaltenteilung zwischen ihm und den Ständen im Gesetzgebungs- und Besteuerungsrecht zu.

 

 

Der 10. März.

Am 10. März empfing der König den Polizeipräsident schon um halb 10 Uhr im
Kabinett, um seinen Bericht über die Ereignisse entgegen zu nehmen, bevor er
mit seinem jüngeren Bruder Wilhelm nach Charlottenburg fuhr. Sie besuchten
das Mausoleum ihrer verstorbenen Mutter Königin Luise, die an diesem Tag Geburtstag hatte.

...

11. März

Erst am 11. März, nachdem am Tag zuvor als <Regierungsmaßregel> der Prinz
von Preußen offiziell zum Militärgouverneur der Rheinlande und Westfalen
ernannt worden war, wurde <der Garnison bekannt gemacht, dass der General
von Pfuel eingetroffen sei und vorläufig das Kommando habe.

 

Der Polizeipräsident war an diesem Tag mehrmals beim König und immer sofort vorgelassen worden. Er sorgte sich wegen einer möglichen Überrumpelung des Pennsylvannischen Gefängnisses, wo noch 90 der verurteilten polnischen Freiheitskämpfer saßen. Der König begnadigte die im Dezember 1847 wegen des versuchten Aufstands zum Tod verurteilten Polen zu 20 Jahren Festungshaft.

 

 

12. März 1848

Da der König in Sorge war, verbot Minister von Bodelschwingh dem Polizeipräsidenten am 12. März dem König Mitteilung von den sich häufenden bedenklichen Anzeigen zu machen, da er annahm, dass der Polizeipräsident die Sache für schlimmer hielte, als sie in Wahrheit war.

Minutoli hingegen glaubte, dass sich der Minister über die Natur und den Umfang der Stimmung täusche.

Gleich um 10 Uhr zu Beginn der üblichen Audienzzeit empfing der König den Polizeipräsidenten und seinen Bruder, den Thronfolger. Dem König gegenüber wiederholte der Polizeipräsident seine Äußerung, dass er die heimlich nach Berlin gekommenen Häupter zur Vorbereitung eines Aufstandes recht gut kenne, dass es zum Einschreiten gegen dieselben noch zu früh sei und die Sache mehr zur Reife kommen müsse, um sie mit einem Male nieder zu schlagen.

Friedrich Wilhelm IV. trug durch sein Verhalten dazu bei, dass die strengen Gepflogenheiten im Schloss gelockert wurden. Am diesem Sonntag sammelten sich außer den Ministern eine Menge unbefugter Personen, so dass das königliche Vorzimmer das Bild eines Kaffeehauses darbot. ... Der König soll in dem Vorzimmer selbst nur in der Mitte der dort Versammelten, ... verhandelt haben.

 

Minutoli überzeugte den Innenminister davon, dass man Versammlungen besser erlaube und Redner nicht arretiere, da dies nur die erregte Stimmung weiter anheizen würde. Die deeskalierende Taktik hielt er für notwendig, da bei den Versammlungen große Teile der Berliner Bürgerschaft unter den durch die Pariser Ereignisse erregten Zuhörern waren.

 

Der Thronfolger gab am gleichen Tag eine schriftliche <dringende Empfehlung>
an General Prittwitz, <drei Bataillone zur Säuberung des Schlossplatzes bereit zu halten.>

 

Der konservative Stadtverordnete Devarennes machte sich zum Sprachrohr des
Polizeipräsidenten, als er in der Stadtverordnetenversammlung die Einführung von Konstablern nach englischem Vorbild vorschlug.

Die Stadtverordnetenversammlung diskutierte über Bewaffnung oder keine Bewaffnung der Bürgerwehr. Sie war mehrheitlich für die Einführung einer unbewaffneten Bürgerwehr. Das Wort Bürgerwehr sagte schon aus, dass nur an die 27.000 Stadtbürger, nicht jedoch an die der Schutzverwandten ohne Bürgerbrief gedacht war.

 

 

13. März: Die Gefahr einer ernstlichen Reibung mit Arbeitern

General von Pfuel war zugegen, als der König am 13. März im Salon der Königin Elisabeth den Bericht des Polizeipräsidenten entgegen nahm.

Es sind Beschwerden darüber eingegangen, dass der Platz vor den Zelten durch
die häufigen dort abgehaltenen Volksversammlungen seiner eigentlichen Bestimmung zum Nachteile des vergnügungslustigen Publikums entzogen wird, indem die für das Musikchor errichtete Erhöhung zur Rednerbühne benutzt, und mitunter die daselbst agierenden Musiker gewaltsam durch Redner verdrängt – die zur Aufstellung der Wagen und Pferde bestimmten Plätze, sowie die über den Platz und zu den Zelten-Etablissements führenden Wege, bei zahlreich besuchten Volksversammlungen vollständig gesperrt, die freie Passage behindern,  nd Ordnung und Sicherheit durch das dort stattfindende Gedränge und die in der Volksversammlungen entstandenen Schlägereien gefährdet wurden.

Der Gouverneur glaubte, die Präsenz von Militär zur Abschreckung nötig zu haben.

Im Hinblick auf heute Abend vielleicht bevorstehende Bewegungen beantragte General von Pfuel Vorsichtsmaßnahmen: ist es erforderlich, bei dem ersten Ausbruch einer Bewegung 1. das Königliche Schloss zu besetzen, 2. eine Kompanie für die Stadtvogtei, 3. Verstärkung der Brandenburger Torwache, 4. Schutz für das Staatsgefängnis in Moabit zu kommandieren, 5. Kavallerie von 7 Uhr abends verfügbar zu halten, um durch die Dorotheen-, respektive Anhaltstraße, die Kommunikation entlang nach dem Brandenburger Tor zu dirigieren, um mit dieser Truppe der beabsichtigten Volksversammlung in den Zelten zu imponieren oder solche auseinander zu jagen oder behufs Verhaftung zu umzingeln.
In diesem Fall würde beim Ausrücken aus dem Tore dasselbe geschlossen und gleichzeitig der Schiffbauerdamm sowie das Potsdamer Tor besetzt werden müssen, um ein massenhaftes Eindringen in die Stadt zu verhindern. Starke Patrouillen würden in diesem Fall das Schloss Bellevue zu überwachen und sich bis nach Charlottenburg auszudehnen haben, falls es in der Absicht liegen sollte, sich dorthin zu begeben.

 

Nachdem ein Gendarm vom Volk entwaffnet und der Wache überliefert wurde,  befürchtete man, dass Aufruhr gemacht werden sollte.

Eine halbe Stunde später würde gemeldet, dass der Pariser Platz voll Menschen stehe. Zum ersten Mal rückte Artillerie mit vier Geschützen nach dem Schloss, nachdem diese alle Protzen mit scharfer Munition beladen und die Kartätschenwagen in die Kasernen am Oranienburger Tor gebracht hatte.

 Ein betrunkener Kerl hat in den Zelten gerufen: „Vive la republic francaise et Berlin!“ Er wurde ausgelacht.

 

Als drei Schwadronen auf dem Schlossplatz postiert wurden, standen der Polizeipräsident, der Gouverneur und der Prinz von Preußen in der Halle.

Generalmajor von Möllendorf, der Chef der Gardeinfanterie, bekam die Aufgabe, mit Truppen die von den Zelten heimkehrenden Menschenmengen nur zu beobachten. Er ließ jedoch am Brandenburger Tor mit Säbeln auf die in die Stadt zurück kehrenden einhauen; denn in der Stadt waren Volksversammlungen verboten. Das Volk reagierte mit Zischen und Pfeifen, zog sich jedoch unter die Linden zurück.

 

Ein einzelner Offizier wurde durch einen Steinwurf verletzt. Das Militär war erbost über den sich scharf aussprechenden Haß gegen das Militär.

Die ersten März-Toten in Berlin am 14.

Am 14. März lagen Beschwerden auf dem Schreibtisch des Polizeipräsidenten:

Die Kaufleute Ravené, die eine Eisenwarenhandlung besaßen, schrieben, dass mehrere Fensterscheiben zertrümmert worden seien. Dreißig junge Männer hätten in der Wallstraße an der Ecke der Grünstraße eine Barriere errichtet. Die Kaufleute befürchteten, dass sich Männer aus ihren Eisenlagern in der Wallstraße 92-93 und der Grünstraße 16 mit Waffen versorgen könnten.

 

Plakate an den Häusern und Straßenecken.

Agenten berichteten dem Polizeipräsidenten, dass sie von Verabredungen gehört
hätten, dass an allen Orten der Stadt am nächsten Donnerstag der Kampf losbrechen sollte. Daher erließ der Polizeipräsident am 14. März eine Anordnung, die als Plakat gedruckt an die Häuserwände besonders an Straßenecken und Brunnen geklebt wurde:

 

Sobald bei einem Auflauf von Seiten des kommandierenden Offiziers die Aufforderung an die Versammlungen ergangen, auseinander zu gehen, oder dieser Zuruf durch dreimaligen Trommelschlag erfolgt ist, verfallen Diejenigen, welche dieser Aufforderung nicht augenblicklichen Folge leisten, schon deshalb in eine Freiheitsstrafe bis zu sechsmonatiger Gefängnis- oder Strafarbeit nach § 8 der Verordnung vom 30. Dez. 1798 bzw. §5 der Verordnung vom 17. Aug. 1835
Zugleich wird den Hauswirten in Erinnerung gebracht, bei entsprechendem Auflaufe ihre Häuser zu verschließen. An Eltern, Schullehrer und Herrschaften ergeht die Aufforderung, ihre Kinder, Zöglinge und Gesinde zurückzuhalten und ihnen unter keinerlei Vorwand zu gestatten, die Volksmenge durch ihr Hinzutreten zu vergrößern. Die Inhaber von Fabriken und die Gewerksmeister sind verpflichtet, solche Vorkehrungen zu treffen, dass ihre Arbeiter, Gesellen und Lehrlinge verhindert werden, sich aus den Werkstätten und Wohnungen zu entfernen.

 

Blutige Exzesse in der Brüderstrasse.

In der Brüderstraße kam es zu blutigen Exzessen. Hauptmann Friedrich Wilhelm von Cosel von der 12. Kompanie des 2. Garderegiments Kaiser Franz hatte die Schüsse auf Steinewerfer in den Eckfenstern der Neumannsgasse/Brüderstraße befohlen. Sie trafen und töteten den 19-jährigen Kupferschmiedelehrlings Karl August Wagner aus der Frankfurterstraße 70 und den 18-jährigen Malergehilfen Eduard Goldmann aus der Spreegasse.
Daraufhin trafen sich 27 Bürger beim Schriftsteller Dr. Woeniger in der Brüderstraße 16, um eine Beschwerdepetition an den Innenminister von Bodelschwingh zu schreiben.


Die vom Gouverneur angekündigten Untersuchungen gegen Garde-Kürassiere und die Vorfälle am 15. März in der Brüderstraße, vor allem gegen den Hauptmann Friedrich Wilhelm von Cosel von der 12. Kompanie, wurden am 18. März - nach wiederholten Bitten des Thronfolgers - vom König eingestellt.

 

 

Der König verläßt Berlin.

Der König sagte zum Minister: „Es ist notwendig, dass ich Berlin verlasse. Die ganze Bewegung ist dafür gerüstet, mich zu falschen Maßregeln und Konzessionen zu bewegen. Befinde ich mich in Potsdam, habe ich noch Zeit, alles Erforderliche ... zu veranlassen und die Berliner Emissionäre haben einen Stich ins Wasser getan, wenn sie die Stadt zum Aufstande bringen. Meine Person ist doch allein entscheidend und sie muss deshalb von dem Grund der Bewegungen entfernt sein.“ 

 Als die Depesche mit der schlimmen Nachricht von der Revolution am 13. aus
Wien angekommen war, vereinbarte Prinz Wilhelm wegen der Abwesenheit seines in Potsdam weilenden Bruders mit Kriegsminister von Rohr , dass jeder ausrückende Soldat 2 1/2 Silbergroschen bekäme. Davon könnte er sich Essen kaufen; denn die gewöhnliche
Garnisonsverpflegung bot kein genügendes Abendbrot, so dass die Soldaten meist hungrig zu Bett gehen mußten. 

Der Thronfolger war sehr zufrieden mit dem in seinen Diensten stehenden Major Oelrichs, der hin darauf gewiesen hatte, dass <wenn ernste Ereignisse auch in Berlin eintreten sollten, die Truppen aus Mangel an physischen Kräften ihre Tüchtigkeit
nicht vollständig zu Entwicklung bringen könnten.>

 

Man hatte am Morgen von den Kasernenmauern anonyme Anschläge ablösen müssen, die Soldaten aufforderten, nicht auf ihre Mitbürger zu schießen. Viele Soldaten sahen darin eine Beleidigung.
Nachdem es in den letzten drei Tagen Tote und Verwundete bei Zusammenstößen von Untertanen mit dem Militär gegeben, hatte Prinz Wilhelm zum König gesagt: „Das Schießen in frequenter Gegend hat imponiert!“ 

 

Forderungen nach Preßfreiheit, Redefreiheit ...

Ein Bericht an den Polizeipräsidenten lautete:

Der gestrigen (14. Märzversammlung im Tiergarten) wohnte ich von 7 Uhr an bei. Meistens waren Arbeiter da. Der erste Redner drang auf Preßfreiheit, Redefreiheit und
Assoziationsrecht.

Der zweite Redner sagte, ich spreche zu den Arbeitern, ich vertrete die Arbeiterinteressen, weil hauptsächlich Arbeiter da sind. Dringt auf ein Ministerium der Arbeit. Der Staat besoldet eine Menge Diener für seine Interessen, er könne auch ein Ministerium der Arbeiter unterhalten, aber kein Ministerium aus Geheimräten und Assessoren, sondern aus Arbeitgebenden und Arbeitern. Unser König, das hat er bewiesen, ist gut, aber er hat keine guten Ratgeber; der König würde ein solches Ministerium genehmigen, dränge die Stimme des Volkes zu ihm.

Es gehen Gesandte ... in aller Herren Länder, um die Interessen des Hofs zu verhandeln; man müsse auch Gesandte in das Ausland schicken, um zu prüfen, wie unser Fleiß angewendet wurde. Vermeidet allen Skandal! Es wird auf den König, auf die Bürger, auf alle einen ungeheuren Eindruck machen, dass eine Versammlung, die aus Tausenden besteht, die sich nicht auf gesetzlichem Boden befindet, auf den sie aber bald gebracht werden müsse, ruhig und wie eine ernste Sache behandelt hätten. Bewahrt Euch, den Leuten Gelegenheit zu geben, sagen zu können, es ist im Tiergarten eine Emeute gewesen, die „dummen Jungen“ hätten eine Revolution gemacht, die jenen doch nichts nützen könne. Seit vernünftig, geht ruhig nach Hause.

Ein dritter Redner machte auf die niederträchtige Heiterkeit aufmerksam, mit der man in
öffentlichen Blättern verbreitet hat, Borsig habe keine Arbeiter entlassen; er habe wohl welche entlassen - und zwar keine Faulenzer, sondern ordentliche Leute, weil er keine Arbeit habe. Ich fordere euch auf, eine Kollekte zu machen. Jeder gebe einen Sechser und wir wollen eine tüchtige Annonce dagegen einsetzen lassen (mehrere Stimmen: „Passiert nicht die Zensur!“ ungeheures Gelächter).

Nach dem Ruf „Die Dragoner!“ stiebte die Versammlung auseinander. Die Redner bestanden aus Studenten und Mitgliedern des Handwerkervereins.

 

 

 

Die Ereignisse spitzen sich am 15. März 1848 zu.

Die Nachricht von den Exzessen hatten sich über Nacht in der Stadt verbreitet.
Schon am Morgen häuften sich bedeutende Volksmengen auf dem Schlossplatz,
in der Breiten- und der Brüderstraße an, wo man die Blutspuren noch sah.
Minister Bodelschwingh erteilte in der Wohnung des Justizrats Bergling schriftlich die Versicherung, dass die am abend vorher statt gefundenen
Exzesse des Militärs streng untersucht werden sollten.

Kavallerie-Patrouillen gingen seit 10 Uhr morgens demonstrativ durch die Stadt.
Der Thronfolger und seine <Militärpartei> wollten gegen die in der Stadt verbotenen Volksansammlungen sofort Militär einsetzen. Die Wachen des Schlosses, des Zeughauses, der Seehandlung und der Bank waren verstärkt worden. Der den Militär gegenüber kritisch eingestellte Minutoli war am Morgen noch der Meinung, das Militär sollte erst einschreiten, wenn die Polizei überfordert wäre, was zur Zeit seiner Meinung nach noch nicht der Fall war.
Der König fuhr mit der Königin am Vormittag ins ruhige Potsdam. Schon nach den Vorfällen vor seinem Palais war der Thronfolger mit seiner Familie ins gut bewachte Schloss umgezogen.

 

 

Rittmeister von Manteuffel suchte Minutoli im Auftrag des Prinzen Albrecht auf, um ihn über die Lage der Verhältnisse in Berlin zu befragen. Der Polizeipräsident nannte ihm Rutenberg als den Hauptleiter der Verschwörung.

 

Ein Brief ans Polizeipräsidium wurde am 15.3.48 direkt in den Briefkasten am Molkenmarkt gesteckt. Daran stand unter anderem:

Der König. stützt sich auf sein Militär aber er wird sich verflucht wundern, wenn auf ein gegebenes Zeichen das Militär wird die Waffen strecken.- Ich sehe auch nicht ein warum die lieben Leutchen sollten auf ihre Eltern oder ihre Geschwister losstürmen.

 

Da Minutoli insgesamt nur 204 Polizeibeamte zur Verfügung hatte, gab er um die Mittagszeit eine Order an das Gouvernement:

Nr. 1, die Schlossbewachung, wenigstens ein Bataillon und eine Escadron, mag vom Lustgarten ins Tor marschieren und im Inneren der Höfe versteckt stehen bleiben. -

Den Angriff bitte ich dem Publikum zu überlassen; alle guten Bürger halten sich fern, das
Gesindel wird weichen oder vernichtet. Nr. 2, die Haltung der Masse ist nicht mehr zweifelhaft, es handelt sich nur noch um den Moment des Ausbruchs. -
Alles geht aufs Schloss. - Es müssen die Höfe im Inneren besetzt werden, auch die unvergitterten Fenster an der Rampe. Die Truppen müssen konsigniert werden. - Die Leipziger Eisenbahn soll Studenten mit dem nächsten Zug erwarten. Eine Schwadron Dragoner dürfte dort aufzustellen sein. von Minutoli.

 

Um 5 Uhr Abends kam es zu einem Zusammenstoß, als das Volk gegen das Schlossportal andrängte.

Der Gouverneur von Pfuel setzte sich selbst der größten Gefahr aus, um nur nicht von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.

Prinz Wilhelm hatte im Hintergrund stehend beobachtet, wie der alte Pfuel, als Männer aus dem Volk das Militär auf dem Schlossplatz zwei Stunden lang mit Steinen und Pferdeäpfeln bewarfen, sich vor die Truppen gestellt hatte und ihnen jede feindliche Erwiderung verboten hatte. Zornig war der  Thronfolger an Pfuel herangetreten:

„Herr General, alles was ich mit so vieler Mühe geschaffen, diese gute Stimmung zum Angriff, haben Sie verdorben, die Truppen demoralisiert! Sie haben die ganze
Verantwortung davon, es ist indigne!“

Pfuel hatte rasch geantwortet: „Königliche Hoheit, ich beschwere mich sogleich über
Sie bei seiner Majestät. Was ich getan, hat guten Grund und Erfolg, und ich werde es verantworten.“ Dann ging Pfuel zum König. Er bat um Genugtuung oder Entlassung gebeten.
Letztendlich hat Prinz Wilhelm ihn um Verzeihung gebeten.

 

 

Nach einigen Gesprächen konnte der Polizeipräsident aber noch am gleichen Tag einen Bericht an Regierungsrat Sulzer in der Abteilung II des Ministeriums des Innern schreiben:
15. März 1848 Euer Exzellenz benachrichtige ich ganz gehorsamt, dass die Differenz mit General von Pfuel vollständig ausgeglichen, er überall meiner Ansicht beigetreten, und diese Sache mithin erledigt ist. Das Geschehene ist aber nicht ungeschehen zu machen. Die Erbitterung gegen das Militär ist furchtbar.
Heute befinden wir uns auf dem Kulminationspunkt. Die Gruppen auf den Straßen werden sichtbar.
Beschwerdedeputationen der Bürger belagern mich; es ist leider als feststehend anzunehmen, dass man gestern ohne Warnung und Aufforderung eingehauen und Unschuldige schwer verwundet hat. Noch halte ich die Bürger, - ich war bei den Stadtverordneten. Berends, Woeniger und Konsorten. Sie erklären als gut gesinnte die Polizei unterstützen zu wollen!!!

General Pfuel ist mit mir einig, Militär erst zu entbieten, wenn es wirklich notwendig ist, der ausdrücklichen Bitte des Prinzen zuwider, Patrouillen von morgens früh ab in Bewegung zu setzen. Minutoli.

Auf Minutolis Schreibtisch landete ein Bericht, der wiederum aus <einem dem
Referenten von guter Hand zugegangenen Bericht> zusammengestellt war:
Berlin, 15. März 1848 Der Ausgangs- und Zentralpunkt der hiesigen Unruhen ist die Studentenverbindung Germania hier. In den Vorlesungen an der Universität gingen Aufforderungen zur Teilnahme an der Sache des Vaterlands umher. Zettel von verstellter Handschrift wurden an Handwerker und. Leute aus allen Ständen geschickt, um sie zu Versammlungen aufzufordern. Auch kam ein Fonds zusammen, um Pamphlete zu drucken und auf die Straße zu werfen. Jene Studentenverbindung setzt ihre Tätigkeit fort.

 

Als Arbeiter in die Stadt zogen, trugen ihre Führer Stöcke, an denen farbige Tücher befestigt waren. Der Ruf „Ministerwechsel“, Pressefreiheit“ ließ sich hören. Die sogenannten Barrikaden in der Neumannsgasse aus Kistenbrettern sind mutwillige Gassenjungenstreiche; Knaben von 11-13 Jahren, die tüchtige Säbelhiebe empfingen, führten das Stück auf. Ein Kommissarius Held nebst Frau, ein Sohn von Rückert, ein Herr Berends wurden unter den Verwundeten genannt. Der Zeitungsschreiber von  Bardeleben, der Sohn des Landsrats, bekam gestern Kolbenstöße vor die Knie und kam verwundet auf die Lesehalle, wo unter den jüngeren Besuchern sich der nichtswürdigste
Geist kundgibt.

 

 

Rittmeister von Manteuffel suchte Minutoli im Auftrag des Prinzen Albrecht auf, um ihn über die Lage der Verhältnisse in Berlin zu befragen. Der Polizeipräsident nannte ihm Rutenberg als den Hauptleiter der Verschwörung.

 

Schon nach den Vorfällen vor seinem Palais war der Thronfolger mit seiner Familie ins gut bewachte Schloss umgezogen.
Wegen der ständigen Alarmbereitschaft und Gerüchten, Arbeiter wollten das Schloss stürmen, hatten in den letzten Tagen Soldaten immer wieder auf Wehrlose geschossen oder mit Säbeln harmlose Passanten verletzt.

Bei schönem Frühlingswetter zogen Familien in den Tiergarten. Als es am Abend auf dem
Schlossplatz fast einen Zusammenstoß zwischen Steine werfenden Demonstranten und der Schlosswache gab, stellte sich General von Pfuel in voller Uniform dazwischen und verbot den Soldaten jede feindliche Gegenaktion.
Als Hauptmann von Plewe ihn beschwor, sich der Gefahr nicht auszusetzen, sagte er: „Ich bin alt genug und setze mein Leben gern ein, wenn ich Bürgerblut schonen kann.“ Dann befahl er, den Posten der Schutzkommission zu übergeben, da diese gegen das Einschreiten der bewaffneten Macht protestierten.


Minutoli  schrieb ein Konzept für einen Brief an den Minister von Bodelschwingh:
15. März 1848
Die größte Erbitterung herrscht im Publikum gegen das militärische Vorgehen.
Schon vorgestern, bei Gelegenheit, dass die Stechbahn von Menschen gesäubert
und viele Personen verwundet wurden, behauptet man, dass es an Veranlassung
zum Einhauen gefehlt hätte und gleiche Klagen sind über die Ereignisse des gestrigen Abends laut geworden, wo die Kürassiere, welche durch die Neumannsgasse gesprengt, selbst die aus den Fenstern sehenden Personen verwundet haben sollen.
Ich enthalte mich meines Urteils über diese Tatsachen, weil ich noch nicht übersehen kann, inwieweit sie richtig und motiviert waren, und ob man, wie dies gesetzlich vorgeschrieben, durch vorangegangene vergebliche Aufforderung von der Waffe Gebrauch gemacht hatte. Mein Bericht betrifft nur die militärischen Maßregeln überhaupt und insbesondere die mir hierbei zustehende Nebenwirkung. Es sollen außergewöhnliche, die Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit bezweckende militärischen Maßregeln nur dann eintreten, wenn der Polizeipräsident die ihm in dieser Beziehung obliegende Verantwortlichkeit mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln nicht mehr
übernehmen kann, in welchem Falle er die erforderliche militärische Unterstützung beantragt- jedoch bei der Ausführung derselben, je nach den Lokalverhältnisse seine besonderen Wünsche oder Bedenken nachzugeben berechtigt ist.

Bei der gestern herrschenden Stimmung des Publikums schien es mir wünschenswert, dass das Militär nicht in Bewegung gesetzt würde, teils weil Unruhen nicht zu erwarten standen, teils all die Einwohner gereizt gegen die Truppen waren, und es angemessen war, jede Veranlassung zu Reibungen zu vermeiden. Da der Herr Gouverneur sich jedoch gegen seine Majestät geäußert hatte, dass gegen Abend Patrouillen entsandt werden würden, so ersuchte ich denselben noch nachmittags schriftlich, diese Patrouillen wenigstens nicht vor 8 Uhr abends in Bewegung zu setzen. Nichtsdestoweniger  durchzogen schon um 7 Uhr trotz der friedlichsten Haltung des Publikums starke Abteilungen von Kavallerie die Straßen, später alle Veranlassungen und meiner früher wiederholt ausgesprochenen Bitte zuwider, einzelne sogar stark bewohnte Straßen sowie das Schloss so vollständig abgesperrt, dass kein Mensch hinaus oder hinein kommen konnte; eine gänzliche Stockung des Verkehrs und das daraus notwendig hervorgehende Zusammendrängen des Publikums an solchen Orten entstand, bis nach und nach, wie es schien, fast die ganze Garnison unter den Waffen stand, die Aufmerksamkeit und Aufregung des Publikums woran sich unter Neugierigen und Böswilligen Exzesse knüpften, welche wiederum nachteilige Folgen hatten.


Da des Königs Majestät die Rückkehr nach Berlin verheißen, sobald die Besetzung es Schlosses wie vorgestern nötig werden sollte – so würden allerhöchst dieselben hiervon in Kenntnis zu setzen sein.

Die folgende Erbitterung des Publikums fallen auf das Polizeipräsidio zurück, da man nicht mit Unrecht voraussetzt, dass die militärischen Maßregeln durch die Polizei veranlasst worden sind, und alle vom Polizeipräsidio angewandten Bemühungen zur Beruhigung der öffentlichen Stimmung werden dadurch vereitelt. Ferner sehe ich mich hierdurch verpflichtet., ganz gehorsamst zu bitten, hoch geneigtes Sorge zu tragen, das die Grenzen der gegenseitigen Befugnisse zwischen dem Gouvernement und dem Polizeipräsidium festgehalten und nicht einseitig zum Nachteil der öffentlichen Stimmung und der guten Sache überschritten werden. Ich kann versichern, dass ich mir meiner Pflichten wohl bewusst und alle Kräfte aufbieten werde, um die mir obliegende Verantwortlichkeit durchführen zu können, ich muss aber, um das zu können, auch in den Rechten meiner Stellung und gegen alle Eingriffe in dieselbe geschützt werden, und das ist der Grund zu vorstehendem ganz gehorsamsten Bericht. Minutoli

 

In die Endfassung des Briefes schrieb er:

Da die Truppen ohne Warnung und Aufforderung eingehauen und Unschuldige schwer verwundet hatten, trieb die Erbitterung gegen das Militär ihrem Kulminationspunkt zu.

Die Gruppen auf den Straßen werden dichter. Beschwerdedeputationen der Bürger belagern mich.

Minutoli schloss sich der Bekanntmachung des Ministers Bodelschwingh und des Kommandanten von Berlin von Ditfurth an, die ihr Bedauern darüber zum Ausdruck brachten, dass <mehrere friedliche, an jenen Orten zufällig anwesende Bürger verwundet worden sind.>

 

 

Eine Barrikade in der Roßstrasse.

Als der Polizeipräsident hörte, dass die Roßstraßen-Brücke aufgezogen, verbarrikadiert und der Verkehr gesperrt sein sollte, bat er Hauptmann von Stückradt II, der sich mit der 11. Kompanie vom Regiment Kaiser-Alexander in der Stadtvogtei befand, mit 12 Gendarmen eine Patrouille dorthin zu gehen.

Die Nachricht erwies sich als richtig. Die angeblich aus 6 Tonnen bestehende Barrikade wurde ins Wasser gestürzt und die Brücke wieder herunter gelassen.

 

 

Der König kehrte am Abend des 15. wieder aus Potsdam zurück.

Während auf dem Schlossplatz versammeltes Volk Soldaten mit Steinen bewarf, verließ er das Schloss nach der ruhigen Lustgartenseite hin und besuchte mit der Königin und
seiner verwitweten Schwester, der Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz, die Oper „Martha“ im Opernhaus.

 

16. März 1848


Nachdem sich am 16. März die Nachricht von der Revolution in Wien in Berlin wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, scherten sich die Berliner nicht mehr um das Verbot von Volksversammlungen in der Stadt. Das Volk sammelte sich zahlreich auf den Straßen und um einzelne Redner an den Kandelabern. Diese berichteten, dass Fürst Metternich und Erzherzog Albrecht fliehen mussten. Manche forderten die sich um sie versammelnden Gruppen <zur Nachahmung> auf.

Von den revolutionären Ereignissen am 15. März in Ungarn wusste man noch nichts.

 

Ein militärischer Alarmring um Berlin!

De 7300 Mann starke Garnison durch zwei Bataillone des 1. Garderegiments verstärkt, die mit der Bahn nach Berlin kamen. Zwischen Spandau und Hohenschönhausen
bildeten sieben weitere Bataillone einen zu Zweidritteln geschlossenen Alarmring um die Stadt.

 

3 Tote auf dem Platz vor dem Zeughaus!

Am Platz vor dem Zeughaus warfder Handschuhmacher Haake  Steine in Richtung eines Zugs Infanterie.

Dabei erwies sich, dass das Militär auf Einsätze gegen die Bevölkerung nicht vorbereitet worden war. Als Leutnant von Cosel Feuer geben ließ, blieben drei Menschen tot auf dem Platz. Einer war der Handschuhmacher Haake.

Es sprach sich schnell in der Stadt herum, dass es vor dem Kronprinzenpalais  ein Blutbad gegeben hatte.

 

 

Unbewaffnete Schutzkommissionen.

 

Da in der alten Garnisonsstadt bald schon der Anblick von Truppen und der kalte Ton der Offiziere das Volk weiter aufregte, wurde auf Anregung des Polizeipräsidenten beim Minister des Innern die Einrichtung von unbewaffneten Schutzkommissionen beschlossen. Sie sollten aus Beamten bestehen, die nach einem an die verschiedenen Bezirke verteilten gedruckten Schema organisiert werden sollten.

Plakate wurden an die Häuserwände geklebt, die bekannt machten:

In jedem Bezirk solle eine Schutzkommission aus sämtlichen Beamten gebildet werden. Diese sollen sich Gewerksmeister und Innungsvorsteher hinzu zu wählen. Am linken Arm sollen die Schutzkommissionen eine schwarzweiße Binde mit der Aufschrift Schutzbeamter und in der Hand einen eineinhalb Fuß langen, weißen Stab tragen.

Die Männer in den Schutzkommissionen zogen in Gruppen zu je vier bis sechs
durch die Stadt. Manche gruppierten sich bis zu 25 und zogen scheinbar müßig
umher. Überall, wo sie mehrere Personen zusammen auf der Straße sahen,
forderten sie diese zur Ruhe und zum Auseinandergehen auf. Dafür wurden sie verlacht und verhöhnt: „Leichenbitter mit Ballkellen“.

 

Die Senatoren der Universität schrieben am 16. März an den Polizeipräsidenten:
Studenten wollten sich den Schutzkommissionen anschließen. Es wird unter den gegenwärtigen Umständen nicht möglich sein, die Studierenden zurück zu halten, obwohl wir uns in diesen Tagen unseres Teils nach Kräften bemüht haben, in dem Kreise der Studierenden für Beruhigung und Ordnung zu sorgen.
Unterschriften der Senatoren (aus einzelnen Fakultäten) Magnus, Weiß,
Lachmann, Trendelenburg>

Nachdem die Aula in Wien der Hauptschauplatz der demokratischen Bewegung gewesen war, wollte man das in Berlin unbedingt verhindern.

Kurz darauf erhielt der Polizeipräsident eine Notiz, dass eine studentische Abordnung beim Stadtkommandanten General von Ditfurth die Bewaffnung gefordert hatten.

Der Polizeipräsident eilte sofort zur Kommandantur und unterzog die drei Abgesandten einem kurzen Verhör.

Der hoch gewachsene 19-jährige schmallippige Anführer Paul Börner, Sohn eines
Justizrats aus Jakobshagen in Pommern, studierte erst seit drei Monaten in Berlin Jura. Der Hamburger Oskar Schade machte den Eindruck eines Großmauls. Sie forderten die Bewaffnung, <um besser zur Ruhe in der Stadt beitragen zu können.> Während des Verhörs fiel dem Polizeipräsidenten die schwarz-rot-goldene Schleife aus Papier im Knopfloch des Einen auf. Diese macht er sogleich zum Gegenstand einer heftigen Philippika. Als der Besitzer antwortete, dass „ja auf dem Palais des Bundestages eine dreifarbige Fahne weht“, <erklärte sich der Präsident damit nicht für befriedigt. Er
nahm das Corpus delicti an sich und schrieb „zu weiteren Maßregeln“ den
Namen des Delinquenten auf.

Nachdem von Minister Bodelschwingh die Nachricht gekommen war, <man möge den Studenten für ihren Vorschlag danken, er sei aber nicht ausführbar,> wurden die Studenten, die ihre Verhaftung befürchtet hatten, durch General von Pfuel und Minutolis

Nachsichtigkeit wieder entlassen. Die Schleife nahm Minutoli als Corpus delicti mit ins Polizeipräsidium.

Neugierige auf dem Schlossplatz neckten und reizten die Soldaten. Wie am Abend zuvor auf dem Schlossplatz wurde Straßenpflaster aufgerissen und die Soldaten damit beworfen.

Kavallerie hieb vom Pferd herunter auf wehrlose Versammelte ein, die daraufhin in Richtung der Werderschen Mühlen flohen. Die durch das im Galopp nachsetzende Militär Verfolgten wurden in die Enge getrieben und brachen eine Pforte zum Wasser auf, um sich auf Schiffe zu retten.
Nachdem ein Schuss gefallen war, wurde in der Grünstraße aus den Brettern eines Bauzauns für die Petri-Kirche eine Barrikade gebaut. Als Truppen anrückten, wurde sie jedoch ohne Verteidigung aufgegeben. Versammelte am Köllnischen Rathaus machten den Soldaten solche Angst, dass sie die Wache verließen, die dann demoliert wurde.

Um eine weitere Zuspitzung der Lage zu verhindern, eilte der Polizeipräsident im Frack in den Tiergarten und zur Volksversammlung „In den Zelten“. Der bedrohliche Anblick großer Massen Militärs verbitterte die Menge.

Ohne erkennbaren Grund sprengte die Kavallerie an mehreren Stellen in die Menschenmenge, um sie auseinander zu treiben.

Um elf Uhr waren die Verletzten nach Hause gehinkt oder von Freunden getragen worden und sämtliche Straßen geräumt.

 

 

17. März 1848

Kurz nach 9 Uhr am Morgen des 17. März berichtete der Polizeipräsident in der Halle des Schlosses: „Es ist alles vollkommen ruhig in der Stadt und kein Tumult zu erwarten. Aber Rutenberg ist verschwunden, und das ist wichtig. Ich will gleich fort und ihn jedenfalls aufsuchen.“

Da er ihn aber zu Hause nicht antraf und seine Frau nicht wusste, wo der Familienvater sich aufhielt, erklärte der Polizeipräsident auf dem Schloss: „Es ist eine Verschwörung möglich, an deren Spitze ein gewisser Rutenberg steht. Nun ist es ein bedenkliches Zeichen, dass der Dr. Rutenberg verschwunden ist.“

 

Vierzig bewaffnete Studenten aus Leipzig waren in Berlin eingetroffen. Man behauptete, sie seien Polen.

<Sie führten das Wort in einer geheimen Beratung, welche die Leiter der Demokratie am 17. im Tivoli abhielten.> Außerdem wohnten der Versammlung <fünf französische Emissionäre und die Herren Julius, Redakteur der Zeitungshalle, und der Buchdrucker Berends bei. Hier wurde beraten, dass sich die republikanisch gesinnten Studenten unter die Schutzmannschaften aufnehmen lassen sollten, um so die Leitung der Sicherheitsmaßregeln in Händen zu haben. Hier, am 17. März, wurde zugleich beschlossen, den Straßenkampf am 24. zu beginnen.>

Der Polizeipräsident zeigte dies beim Minister an. Mit der Eisenbahn aus Frankfurt kam das 8. Infanterie-(Leib-) Regiment an und nahm in Friedrichsfelde, Marzahn, Lichtenberg und Weißensee Quartier.

 

Der Polizeipräsident erhielt den Bericht von einer Versammlung von 13 Schutzrevieren in dem Bierlokal in der Köpenickerstraße 108, die ab drei Uhr bis zum Abend stattgefunden hatte. Dr. Theodor Woeniger, der sich dem Polizeipräsident gegenüber zwei Tage zuvor noch als gut gesinnt hin gestellt, hatte die Rednertribüne betreten und eine vorbereitete Petition vorgestellt:
Zurückziehung der militärischen Macht, Organisation einer bewaffneten
Bürgergarde, unbedingte Pressefreiheit, Einberufung des Vereinigten Landtages, Rücktritt der Minister, Berücksichtigung der arbeitenden Klassen. Die beidenletzten strittigen Punkte waren dann fallen gelassen worden, als man eine
Friedensmanifestation formuliert hatte. Diese Adresse mit den vier Hauptforderungen sollte <dem König am nächsten Tag durch mehrere Tausend Bürger, als Schutzbeamte mit Stab und Binde dekoriert, nachmittags um 2 Uhr mittels einer Deputation überreicht werden.>

 

Die Adresse hatte Dr. Woeniger auch vor mehreren Hundert Schutzbürgern im Köllnischen Rathaus vorgestellt. Mit dem Satz „Verwerfen Sie die Demonstration, erhalten Sie die Revolution!“ hatte Woeniger verursacht, dass der größte Teil der Versammlung das Lokal verließ. Der Gymnasialdirektor Dr. Ernst Ferdinand August, ein ehemaliger Offizier im 1. Garderegiment, hatte seine mächtige Stimme erhoben und dagegen gesprochen: <Man solle keine neuen Aufregungen hervorrufen.>

 

 

Unter anderen meldete ein Bezirksvorsteher vom Gendarmenmarkt das Vorhaben einer großen Demonstration.

Dem Polizeipräsidenten wurde klar, dass unterschiedliche Gesellschaftsschichten zwei aufeinanderfolgende Demonstrationen vor dem Schloss planten, um dem König ihre Forderungen vorzustellen. Den Inhalt der Forderungen fand er weniger schlimm als die Aufrufe zum verbotenen Massenauflauf vor dem Schloss.

Minutoli sagte auf dem Schloss: „Es ist möglich, dass morgen nicht mehr von einem Aufruhr, sondern von einer Revolution die Rede sein wird.“ Gleichzeitig riet er von der Anwendung militärischer Maßregeln, das heißt Gewalt, ab.

 

2 Garderegimenter sollen nach Potsdam zurückkehren.

Nachdem in verschiedenen kleinen und größeren Versammlungen zu hören war,

„Morgen geht´s los, morgen wird es sich entscheiden,“ meldete Minutoli dem Minister des Inneren:

Man hat bis jetzt Straßenemeuten gehabt. Morgen wird die Revolution ihr Haupt erheben. An einer Menge nachweisbarer Punkte wird sie unverhohlen gepredigt und verkündet.

 

Acht Bataillone rückten zur Verstärkung der Berliner Garnison in der Umgegend ein.

Da der Minister von Bodelschwingh dem Polizeipräsidenten verboten hatte, den König zu beunruhigen, gab der König den Befehl, dass am nächsten Morgen zwei Garderegimenter nach Potsdam zurückkehren sollten.

 

 

Der 18. März, 4 Uhr am Morgen

Als der Schriftsteller Dr. Woeniger bis um 4 Uhr am Morgen noch nicht aufgetaucht war, ersuchte der Polizeipräsident General von Prittwitz schriftlich, <zwei Gardebataillone nicht mit dem ersten Zug nach Potsdam zurück zu senden,> wie dies militärisch angeordnet war, <sondern diese bei den drohenden Anzeichen für diesen Tag in Berlin zu lassen. Gleichzeitig bat er um schleunige Verstärkung der Militärbesatzung des Polizeipräsidiums.>

Als keine Verstärkung anrückte, schrieb er um 6 Uhr nochmals: <Ich bitte sogleich die
Anweisung zu erteilen, dass die für Stadtvogtei bestimmte Verstärkung der Wache (durch halbe Kompanien) schleunigst von der nächsten Kaserne her beordert werde. Es ist lediglich eine Präventiv-Maßregel.>

 

Der Polizeipräsident ging am frühen Morgen des 18. März zum Schloss. Obwohl
ihm der Minister von Bodelschwingh verboten hatte, den König zu beunruhigen, berichtete er ihm kurz von den Plänen der Volksredner.

Daraufhin schrieb der König an Minister Bodelschwingh: <Man will in der Nachmittagsstunde in politischem Sinne agitieren. Daher meine gewissenhafte Frage, ob ich dem nicht durch meine Abreise nach Potsdam am besten jeden Kern nehme? Sollte dennoch der Agitator Woeniger nicht abzuhalten sein, sind Ihre, Minutolis etc. Bemühungen fruchtlos, dann erwarte ich, dass Bürgermeister und Rat, umgeben von vielen Wohlmeinenden der Schutzkommission den Agitatoren entgegen gehen mit
Befehlen...

Der Adjutant Schöler schrieb ins Adjutantenbuch, dass <General von Ditfurth dem König schon um halb 8 Uhr Meldung machte> und ihm befohlen wurde, <bald in Gefolgschaft des Gouverneurs, des Polizeipräsidenten und des Ministers von Bodelschwingh wiederzukommen.

 

An die Übergabe der Adresse wird sich heute eine Demonstration knüpfen.

Der Polizeipräsident  war um 8 Uhr mit Oberbürgermeister Krausnick zu einer Konferenz bei Minister von Bodelschwingh eingeladen.

Minutoli sagte für diesen Tag eine blutige Demonstration vorher. Der Zusammenstoß werde wahrscheinlich bei Gelegenheit dieser Prozession, bei der die Schutzkommissionen ihre Wünsche und Beschwerden auszusprechen beabsichtigten, herbei geführt. 

Der Minister von Bodelschwingh befürchtete, dass solch eine Demonstration „Preußens Schicksal wenden könnte“.

Minutoli berichtete dem Minister, dass auch <die Stadtbehörden am 18. eine große Demonstration veranlassen wollten. Magistrat und Stadtverordnete wollen um 12 Uhr vors Schloss ziehen.> Sie und eine Versammlung der Schutzkommissionen der 112 Bezirke wollen ihre Petition mit Bitten u.a. um Bürgerbewaffnung um 12 Uhr dem König übergeben oder dringend vortragen.

 

Minutoli berichtete auch aus anderen Quellen, dass um 2 Uhr am Schlossportal ein Krawall gemacht werden sollte.

<An die Übergabe der Adresse wird sich heute eine Demonstration knüpfen. Dahinter wollten die unruhigen Köpfe Skandal machen, es sollten Schüsse fallen – angeblich vom Militär – Schutzmänner sollten getroffen werden und daran sich der Beginn der Revolution knüpfen.>

Dieser Mitteilung fügte der Polizeipräsident hinzu: „Man sehe sich vor, ob man den Blutstrom, den sie in ihrem Gefolge haben wird, verwischen und vergessen lassen kann.“ Minister von Bodelschwingh  befürchtete, dass solch eine Demonstration „Preußens Schicksal wenden könnte“.
<Man beriet, dass es dringend wünschenswert sei, diese Demonstration, zu welcher alle Beteiligten schon durch Boten zur Nachtzeit eingeladen waren, zu coupieren.>

Man beschloss, <durch persönliche Einwirkung von der Demonstration abzuhalten.> Daraufhin forderte Minister von Bodelschwingh den Polizeipräsidenten auf, den städtischen Behörden gegenüber seinen Einfluß anzuwenden und alles aufzubieten, damit das Publikum beruhigt und belehrt würde, eine solche Demonstration unterbliebe und eine Deputation von 3 Magistratsmitgliedern und 4 Stadtverordneten sich allein auf dem Schloss einfände, um dort zugleich mit aus Köln und Breslau eingetroffenen
Abgeordneten (u.a. Raveaux und d´Ester) empfangen zu werden.“

Die Deputationen von Breslau und vom Rhein sprachen von Lostrennung und Republik.

Obwohl das eigentlich nicht zu den Aufgaben eines Polizeipräsidenten gehörte, wurde <die Vermittlung des Polizeipräsidenten durch das Staatsministerium in Anspruch
genommen.>



Minutoli spricht in der Stadtverordnetenversammlung.

<Mit diesem Auftrag flog Minutoli, da es halb 9 Uhr morgens war und die drohenden Deputation von Breslau und vom Rhein bereits angemeldet waren, zum Rathaus in die Königstraße, wo ihm der Magistrat williges Gehör schenkte, dann in die Stadtverordnetenversammlung, wo man ihn einzutreten ersuchte, mit Akklamationen begrüßte.>

Der Polizeipräsident bat im Köllnischen Rathaus, „die Zahl der Deputierten möge zur Vermeidung von Aufsehen nicht zu zahlreich sein“. Nachdem die Stadtverordneten auf seinen Vorschlag <willig waren, die Prozession abzubestellen und eine Deputation von 9 zu senden>, kehrte Minutoli mit dem Gefühl ins Schloss zurück, <den Auftrag mit Erfolg im Magistratskollegio sowie in der Stadtverordnetenversammlung ausgeführt> zu
haben.

Er berichtete in der Schlosshalle: „Es ist alles nach Wunsch gegangen. Eine gemischte Deputation, zusammengesetzt aus der Versammlung der Bürgerschaft, welche von Assessor Wache präsidiert wird, und aus etlichen Magistratsmitgliedern wird sich ungesäumt einfinden.“

 

In der Stadtverordnetenversammlung hatte der Polizeipräsident gebeten, die Zahl der Deputierten möge zur Vermeidung von Aufsehen nicht zu zahlreich sein. Dennoch wurden am Vormittag bei der Berliner Stadtverordnetenversammlung 12 Deputierte gewählt. Der Vorsteher Fournier hat seine Teilnahme an diesem Auftrag verweigert. Vier Vorstandsmitglieder, der Oberbürgermeister Krausnick, Geheimer Oberregierungs- und Justizrat, der Bürgermeister Naunyn und die Abgeordneten
Veit, Schauß, von Raumer, Holfelder, Duncker, Falckenberg, Behrend und Walter waren um die Mittagszeit zum König gegangen. Sie hatten fünf Wünsche überbracht:
1. sofortige Freigabe der Presse,
2. sofortige Einberufung des Landtages und Vorlage eines Gesetzesentwurfs
zu einer freien Verfassung an den Landtag, sowie Genehmigung dieses Gesetzes nach dem durch einfache Majorität zu fassenden Beschluss des Landtages,
3. Errichtung einer allgemeinen Bürgerwehr,
4. Entlassung der Minister und Ernennung anderer das Vertrauen des Volkes geniessender,
5. Zurücksendung der dem Vernehmen nach gegen Berlin zusammen gezogenen Truppen und Fortschaffung des russischen Militärs, welches an der Grenze stehen soll.


Der König ließ den Minister von Bodelschwingh das Patent vorlesen.
Die Abordnung erklärte sich „für völlig befriedigt“.

 

Königliches Patent zur Lockerung der Zensur ...

Früher hatte Prinz Wilhelm von Preußen im Kreis von Hofmilitärs gesagt, wenn das Wort Konstitution fiel:

„Man wäre ein siebenfaches Rindvieh, erstens eine Verfassung zu fordern, zweitens ein noch viel größeres, eine Verfassung zu geben!“

Nach zweitägigen Beratungen und einer langen Nacht hatte Prinz Wilhelm als Mitglied des Thronrats am Morgen des 18. März 1848 das verhasste Patent widerstrebend, aber dennoch unterzeichnet.

 

Als Minister von Bodelschwingh Minutoli traf, wies der nochmals auf „die große Gärung, welche herrsche,“ hin. Der Minister hielt das Konzept des Königlichen Patents zur Lockerung der Zensur und Einberufung des Vereinigten Landtages auf den 2. April in die Höhe. Er entgegnete: „Dafür ist mir jetzt nicht mehr bange, Preußen hat seine Revolution gemacht, die liegt hinter uns.“
Der Minister setzte mit Entschiedenheit hinzu: „Das habe ich dem Könige aber auch gesagt, dass es nach diesen Konzessionen nur noch Kartätschen gäbe.

 

 

Gegen 10 Uhr war Minutoli mit Minister von Bodelschwingh beim König. Der Polizeipräsident sagte auch in Gegenwart des Königs einen blutigen Zusammenstoß für diesen Tag vorher und bemerkte, dass dem Vernehmen nach der Zusammenstoß bei Gelegenheit der Prozession herbeigeführt werden sollte, in welcher mittags um 12 Uhr die Schutzkommissionen der 112 Berliner Stadtbezirke vor das Schloss zu ziehen beabsichtigten, um ihre Wünsche und Beschwerden auszusprechen.

 

5 Wünsche der Stadtverordneten an den König.

Trotz des Versprechens der Beschränkung auf 9 Männer wurden am Vormittag
von der Berliner Stadtverordnetenversammlung zwölf Deputierte gewählt. 

Um die Mittagszeitnur erschien eine kleine Deputation im Schloss , vier Vorstandsmitglieder, der Oberbürgermeister Krausnick, der Bürgermeister Naunyn, die Abgeordneten Veit, Schauß, von Raumer, Holfelder, Duncker, Falckenberg, Behrend und Walter. Sie überbrachten dem König fünf Wünsche: sofortige Freigabe der Presse, sofortige Einberufung des Landtages und Vorlage eines Gesetzesentwurfs zu einer freien Verfassung an den Landtag, sowie Genehmigung dieses Gesetzes nach dem durch einfache Majorität zu fassenden Beschluss des Landtages. Einige waren schon weiter gegangen und hatten eine Änderung des Ministeriums begehrt, ohne indes von den eigenen Gefährten recht unterstützt zu werden.>

 

In der Halle sah der Polizeipräsident die Deputierten aus Köln, die gerade bei Seiner Majestät gewesen waren, unter ihnen den Geheimen Kommerzienrat Carl.

 

Dann kamen die städtischen Abgeordneten Krausnick, Fournier, Professor von Raumer, Moewes etc. und alle schienen von dem ihnen gewordenen Empfange außerordentlich befriedigt,

Etwa dreitausend sogenannte Schutzbeamten in schwarzen Leibröcken waren gekommen. Wäre es nach dem Thronfolger gegangen, stünden diese vielen
subalternen Beamten und Innungsmeister nicht mehr da unten und keine 5.000 weitere Untertanen.

 

1 Uhr am 18. März

Minister von Bodelschwingh hatte Minutoli vor einigen Tagen verboten, seiner Majestät Mitteilung von den sich häufenden bedenklichen Indizien zu machen.

Da der Polizeipräsident keinerlei Einfluss mehr darauf hatte, dass trotz des noch in der Stadt bestehenden Versammlungsverbots die Menschen zum Schlossplatz strömten, bestand er kurz nach 1 Uhr Mittags darauf, zum wiederholten Mal vor den König gelassen zu werden. Er wollte ihn nun warnen.

 

Der Minister sagte im Vorzimmer des Königs zum Polizeipräsidenten, dass <er doch unrecht gehabt, als er am demselben Morgen für diesen Tag eine blutige Demonstration vorhergesagt habe, denn statt derselben höre man nur den Jubel des Volkes. Als Minutoli ihm erwiderte, dass er nur gekommen sei, um ihm und in seiner Gegenwart Seiner Majestät dem Könige zu sagen, dass trotz jenes Jubels seiner Überzeugung nach der beabsichtigte blutige Konflikt heute leider doch noch statt finden würde, führte er ihn, zwar mit Widerstreben und ungläubig lächelnd in das Kabinett des Königs.>

 

Minutoli trug dem König vor, <dem Jubel auf dem Schlossplatze sei insofern nicht durchweg zu trauen, als er die verbürgteste Nachricht habe, es solle um 2 Uhr ein letzter Versuch am Portal gemacht werden, Maßnahmen zu ergreifen, die an den vorhergehenden Tagen gehaltenen Versammlung beschlossen worden. Meiner Überzeugung nach wird der beabsichtigte blutige Konflikt heute leider doch stattfinden“.>

 

Minister Bodelschwingh <bemerkte nach seinem Vortrag, dass er unnötige Besorgnisse hege; worauf der König sich belobend über seine bis dahin bewiesene Tätigkeit und Anstrengung äußerte, jedoch mit den Worten schloss: „Nur eins, lieber Minutoli, kann ich nicht unbemerkt lassen, sie sehen immer zu schwarz!“

 

Extrablatt der Allgemeinen preußische Zeitung!

Nachdem die <Allgemeine preußische Zeitung> gegen 1 Uhr in einem Extrablatt die beiden Patente zur Aufhebung der Zensur und Einberufung des Vereinigten Landtages verbreitet hatte, war die Zahl der Versammelten stark angewachsen, kamen
auch Frauen sogar mit Kindern. Die Menge drängte fast bis an Portal 1, um den Worten des auf dem Balkon darüber stehenden Ministers von Bodelschwingh besser lauschen zu können, der das Patent vorlas. Er sprach von der Notwendigkeit einer konstituellen Verfassung. Als der König auf den Balkon trat, wurde er von den mittlerweile ca. 8.000 Bürgern mit lautem Jubel und „Vivat“ begrüßt.


Als der König zum zweitenmal den Balkon betrat und eine kurze Ansprache hielt, waren die Massen zu unruhig, um ihn zu verstehen. Das Murren war neu und erstaunte den König, so dass erschrocken er in die Reihe der Prinzen und Generale zurück trat.

 

Als der König zum drittenmal auf den Balkon trat, winkte er nur mit einem weißen Taschentuch. Sichtlich bewegt legte er eine Hand aufs Herz und erhob die andere zum Himmel, als würden es ihm die donnernden Hurra- und Vivat-Rufe unmöglich machen, zu sprechen.  Manche Leute auf dem Platz lagen sich in den Armen aus Freude über die Errungenschaften, andere beglückwünschten sich.

 

Als Einzelne - nur etwa zwanzig Männer - riefen: „Militär zurück!“ wurde der König zornig und trat unwillig in den Hintergrund.

 

Der König bat den Polizeipräsidenten, auf den Balkon hinaus zu treten und den draußen Versammelten mitzuteilen, dass der König nun Ruhe wünsche, die Königin sei unwohl.

Sie war krank.

 

Vor einem Schlossportal standen Stadtverordnete mit weißen Armbinden in der Menschenmenge. Den Stadtverordneten Heymann hatte man in die Höhe gehoben, damit er besser gesehen und gehört werden konnte. Er las das gerade in der Stadtverordneten-Versammlung im Köllnischen Rathaus verteilte frisch gedruckte
Patent des Königs vor. Immer wieder wurden die Hüte geschwenkt und gejubelt.

Der Polizeipräsident verließ das Schloss über die Hauptterrasse zum Lustgarten hin.

 Major Oelrichs, der in Diensten des Thronfolgers stand, begegnete ihm. Der Polizeipräsident sprach mit ihm einige Worte über die Lage der Dinge. Der Major war der Ansicht, dass <die Sache fürs erste vorüber sei.>

Der Polizeipräsident entgegnete jedoch: „Glauben Sie mir, Herr Major, die Sache ist
nicht vorüber und wird wahrscheinlich in wenigen Stunden ärger als je losgehen.“

 

Bürger riefen dem Polizeipräsidenten zu: „Herr Präsident, der Haufen am Portal brütet nichts Gutes aus.“

 

Gegen halb 2 Uhr war der Polizeipräsident wieder zu seinem Dienstgebäude zurückgekehrt.

 

 

Mittlerweile hatte Minister von Bodelschwingh alle Punkte des Patents verkündet. Die Bürger mit Zylinder jubelten; die wenigen Arbeiter in ihren Mützen schwiegen.

Der König winkte mit einem weißen Taschentuch. Obwohl er sonst nie um Worte verlegen war, sprach er nicht nochmals.

Minister von Bodelschwingh bedankte sich an seiner Stelle beim Volk für den Jubel. Der
Thronfolger beobachtete, wie am dem Schloss gegenüber liegenden Haus, das einem Mitglied der Schützengilde gehörte, eine weiße Fahne mit dem schwarzen preußischen Adler befestigt wurde. Viele klatschten Beifall. Aus der Menge wurde jedoch mit Gesten zum Zurückziehen der Fahne aufgefordert. Jemand wünschte eine schwarz-rot-goldene. Die preußische Fahne wurde schließlich wieder eingezogen.

Die Zahl der Menschen auf dem Platz nahm immer mehr zu. An den Einmündungen der Straßen standen Arbeiter mit ihren typischen Mützen.

 

Prinz Wilhelm  war erzürnt, weil man sich auf dem Schlossplatz lauthals beschwerte, dass die Durchgänge durch die Schlosshöfe jetzt durch im Schlosshof biwakierende Garden aus Potsdam versperrt waren.
In der letzten Stunde waren die Escadron und die schon seit dem Morgen im Schlosshof lagernden 2 Bataillone durch zwei weitere Bataillone, zwei Schwadronen zu je 150 Pferden und acht Geschütze verstärkt worden.

Der Thronfolger wollte dem Gegner zuvorkommen und die bewaffnete Macht energisch und schlagartig einsetzen.

Rittmeister von Borstell stand mit einer Schwadron Garde-Dragoner schon im zweiten Schlosshof bereit, um durch Portal 4 in Richtung der Stechbahn auszurücken und von dort aus Front zu machen.

Das Füsilierbataillion der 2. Kompanie des 1. Garderegiments zu Fuß war im kleinen Schlosshof angetreten, bereit zum Ausrücken durch Portal 1. Es war wegen der Exzesse in den vergangenen Tagen beim Volk besonders verhaßt.


Die Massen drängten sich bis an das in den Portalen stehende Militär.

Als der König wieder in den Sternensaal hinter dem Balkon getreten war, schrie die Menge, welche die Verstärkung der Truppen bemerkt hatte: „Fort mit dem Militär!“ „Militär zurück!“ Die Schutzbeamten versuchten, sich zwischen Volk und Militär zu stellen.


Generalmajor von Möllendorff war wegen seines grenzenlosen Diensteifers, seiner praktischen Fähigkeiten und der großen Hingebung an König und Vaterland der Schutz des Schlosses anvertraut worden. Zu Pferde stand er vor dem Portal I.

Plötzlich umfaßte ein Mann seine Knie. Er war der Lehrer im Handwerkerverein und Zeitungsredakteur Julius Curtius. Flehentlich er ihn, als guter märkischer Edelmann kein Unglück über Berlin zu bringen und die drohende Gefahr zu verhüten.
Der Offizier antwortete: „So viel an mir ist, soll dies geschehen. Die Truppen können aber nicht zurück gehen.“

 

Oberbefehl von General von Pfuel an General von Prittwitz.

Der König war erschöpft. Kurz nach 2 Uhr stöhnte er: „Ach, ich kann nicht mehr. Schafft mir Ruhe, schafft mir die Leute weg!“
Das war eigentlich kein Befehl. Der Oberbefehlshaber der in und um Berlin stationierten Truppen, General von Pfuel, war allerdings gerade nicht im Schloss. Er nahm die Sache zu leicht.

Der Thronfolger empfand dies als glücklichen Umstand. Er sah eine Möglichkeit, den „Schlappschwanz“, wie er den alten Pfuel in seinem engsten Kreis von Hofmilitärs genannt hatte, auszubooten. 

Er ging zu seinem königlichen Bruder und drang in ihn, definitiv das Kommando an Prittwitz zu übertragen. Der König <wollte ihn jedoch nicht als oberkommandierenden General. Fast hätte der Thronfolger die Haltung verloren. Stattdessen ging er still aus dem Zimmer.


Die den Thronfolger unterstützenden aristokratischen Anhänger des starren Absolutismus, die sogenannte Militärpartei, nutzte die günstige Gelegenheit. Mit Hilfe eines alten Vertrauensmanns des Königs als Sprecher, dem der Monarch eine
Rolle als zukünftiger Minister zugedacht hatte, dem hartnäckigen General von Alvensleben, und des Hausministers Graf von Stolberg erhielt der Generaladjutant Friedrich Wilhelm von Rauch die eigenhändige Order des Königs. Der Thronfolger ging zu Karl Ludwig von Prittwitz und überbrachte den Befehl aufs Schloss zu kommen. Der hoch gewachsene kräftige General betrat um ½ 2 Uhr mit starken energischen Schritten das Schloss.

So ging der Oberbefehl von General von Pfuel in dessen Mittagspause während nur 3/4 - stündiger Abwesenheit an den General von Prittwitz über.

 

General von Prittwitz hatte durch die Kabinettsorder den Oberbefehl über 781 Offiziere, 19.940 Mann und 3.980 Pferde. Sofort meldete er sich beim König zur Übernahme seiner "dornenreichen Aufgabe". Er erhielt den Befehl, den Schlossplatz mit einer Dragonerschwadron im Schritt zu räumen und „dem dort herrschenden Skandal ein Ende zu machen“. Die Säbel sollten nicht aufgenommen werden.

Der Thronfolger fügte allerdings leise hinzu: „Und nur tüchtig, blind und schonungslos!“ Der Adjutant des Thronfolgers, Graf A. von Königsmarck, Major im Regiment Garde du Corps, überbrachte auch dies als mündlichen Befehl.

 

Kurz nach halb 2 Uhr schrieb von Schöler ins Adjutantenbuch: <Das Volk wird immer ungestümer, offenbar in böswilliger Absicht. Mitglieder der Schutzkommissionen versuchten vergeblich ein Eindringen der Masse in die Schlosshöfe abzuhalten. Endlich mussten Kavallerie und Infanterie vorrücken, um den Schlossplatz frei zu machen.>

 

Dr. Woeniger, der seine „Friedensmanifestation der Volkswünsche“ im Auftrag von Bürgern aus der Köpnickerstraße an den wachhabenden Offizier zur Weiterleitung übergeben sollte, war der Meinung, die Hälfte der in der Adresse erwähnten Petitionen seien bereits gewährt. Man solle die Adresse zurückhalten und das Weitere abwarten.

Adresse mit 4 Hauptforderungen am 18.3. um 2 Uhr dem König übergeben.

 

Es mochte etwa 2 Uhr gewesen sein, als im Rathaus Personen aus dem Journalzimmer in den Raum stürmten, in dem die beiden Stadträte an Schreibtischen über Papiere gebeugt saßen. Der Ausruf „Auf dem Schlossplatz wird auf die Bürger geschossen!“ bewirkte, dass Hermann Duncker und Carl Nobiling aufsprangen, nach ihren Hüten griffen und in Richtung Schloss eilten.

Stadtrat Nobiling betrat den kleinen Schlosshof, als ein Handwagen mit Abdrucken der Proklamation ankam, welche früher nur verlesen oder in wenigen Abdrucken verteilt worden waren.
Höhere Offiziere und Staatsbeamte sowie sonstige Notabilitäten und Bürger, welche hier versammelt waren, wussten nur sehr Unbestimmtes davon.

Patent
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen
verlangen, dass Deutschland aus einem Staatenbund in einen Bundesstaat verwandelt werde ... und erkennen an, dass eine konstitutionelle Verfassung aller deutschen Länder notwendig ist … verlangen Freizügigkeit im gesamten deutschen Vaterlande … Wir verlangen, dass keine Zollschranke mehr den Verkehr auf deutschem Boden hemme und einen allgemeinen deutschen Zollverein, in welchem gleiches Maß und Gewicht, gleicher Münzfuß, ein gleiches deutsches Handelsrecht gelten …
Wir beauftragen das Staatsministerium, die Einberufung des Vereinigten Landtages auf Sonntag, den 2. April d. J. zu bewirken.
Friedrich Wilhelm.


Das laute Das laute Verlesen ergriff alle mächtig; mehrere, u.a. der General
von Etzel, weinten vor Freude.

Nobiling dachte: vierundzwanzig Stunden früher und unser Stern stünde hoch am Firmament!

Diese Begeisterung über die Proklamation währte bei den Lesern indessen nicht lange.

 

Vor Portal 1 griffen sich die Männer der Schutz-Kommissionen an den Händen, um eine Kette zu bilden. So versuchten sie beim Vorwärtsgehen die Menge in Richtung der Kurfürstenbrücke zu schieben.


Der königliche Befehl zur Säuberung des Schlossplatzes war von Prinz Wilhelm und seinem Adjutanten, Graf von Königsmarck, in einen Befehl zur Auseinandersprengung der Volksmasse verwandelt worden.

 

Gegen halb drei Uhr sah Prinz Wilhelm die Dragoner an der Stechbahn. General von Prittwitz saß auf einem gewöhnlichen Schwadronenpferd. General von Prittwitz führte die Gruppe jeweils zu dreien zuerst im Schritt. In der Hand hielt er ein weißes Taschentuch. Dann ließ er Front machen nach der Langen Brücke. Einige Pferde
scheuten durch den Lärm der Menge. Immer wieder hörte man die Aufforderung: "Militär zurück!" Befehle konnten bei dem Geschrei nicht verstanden werden. Die Dragoner gingen langsam vor.

Auch der 4. Zug, der mehr nach der Schlossfreiheit zurück gedrängt war, folgte ebenso wie die Escadron der Bewegung auf den Volkshaufen zu, zum Teil mit aufgenommenem Gewehr. General von Prittwitz ritt mit einem Trompeter langsam auf den
Kandelaber zu. Scheinbar wollte er den Volkshaufen beschwichtigen.
Einige Schutzbeamten banden jetzt erst ihre weißen Binden um und schwenkten die weißen Knüttel. Sie versuchten, die Menge von Portal 1 abzuhalten.


Generalmajor von Möllendorff hielt sein Pferd in der Nähe des Rittmeisters von Borstell. Der etwas von dem oberkommandiernden General abgedrängte Rittmeister verfiel in Trab. General von Prittwitz rief dem Rittmeister etwas zu; der konnte es aber nicht verstehen. Die Escadron hatte zum Teil „Kehrt!“ verstanden; sie gehorchte, indem sie einzeln kehrt machte. Man konnte den Eindruck haben, dass sie zurück weiche.


Generalmajor von Möllendorff gab Rittmeister von Borstell ein Zeichen. Dieser rief das Kommando: „Front!“ Es wurde nicht verstanden. Dann riß der Rittmeister den Säbel aus der Scheide. Seinem Beispiel folgte ein Teil der Dragoner. Dies war das Signal für sämtliche Offiziere, die Waffe aufzunehmen.

Einzelne Bürger schlugen mit Stöcken und Regenschirmen auf die Pferde sowie die Schenkel der Reiter. Der Rittmeister schrie aus Leibeskräften: „Vorwärts, um Gottes Willen, vorwärts!“ Als die Dragoner 20 Schritte vorrückten, wich die Volksmenge hastig
zurück. Prinz Wilhelm winkte seinem Adjutanten. Graf von Königsmarck sprengte an die Reiterei heran und rief ihr den Befehl zu: „Einhauen! Einhauen!“ Ohne das übliche dreimalige Trommeln oder Trompeten avancierten sie im Galopp in Sekundenschnelle
bis zum großen Kandelaber; einige Dragoner hieben auf die Fliehenden ein. Der Maler Schrader wurde von der Schulter des Pferdes gefasst, auf dem Rittmeister von Borstell saß. Der junge Mann fiel hin, konnte aber ohne Hilfe wieder aufstehen und sich schnell aus dem Bereich der Pferdehufe retten. Zwei Dragoner stürzten auf den glatten Steinen.

 

Als die Menge sich vom Platz weg etwas zerstreut hatte, ließ Rittmeister von Borstell die Säbel wieder einstecken und ritt, wie ihm befohlen worden war, in Schwadronskolonne auf dem Platz herum. Dann stellten diese sich beim Kandelaber auf.

 

Als sie den General von den Menschenmassen umringt sahen, rückte die 1. Kompanie des Kaiser-Franz-Grenadier-Regiments unter ihrem Kommandeur Major von Falckenstein aus Portal II vor. Die 2. Kompanie mit Hauptmann von Plessen folgte auf Befehl des Generalmajors von Möllendorff und wurde von ihm in Richtung Kurfürstenbrücke
begleitet. Eine Schwadron Dragoner stellte sich an der Stechbahn auf.

Auf Befehl des Majors von Falckenstein formierte sich eine Abteilung der 1. Kompanie mit Gewehr über“, die Bajonette nach vorn gerichtet.

In vollem Lauf gingen die Schützen in Richtung der Breiten Straße auf die Volksmenge los. General von Prittwitz winkte mit einem weißen Taschentuch und rief ihnen etwas zu.

Zwischen den Häusern an der Breiten Straße und der Kurfürstenbrücke blieb die Menge stehen. Einige drohten den Soldaten mit ihren Gehstöcken und schimpften.

 

Der Stadtverordnete Heymann forderte seine Kollegen auf, mit ihm zu seiner Majestät zu gehen, um die sofortige Zurückziehung des Militärs zu erflehen. Gemeinsam mit den Stadtverordneten Reimer, Petsch und Kochhan wand er sich mitten durch das Militär auf dem Schlossplatz. Sie drangen bis in den inneren Hofraum und an die große Treppe im östlichen Teil des Hofes vor, die zu den königlichen Gemächern führte.

 

Mittlerweile waren auch die königlichen Prinzen im Hof angekommen. Der einzige, der den Bürgern Gehör schenkte, war ein weiterer Bruder des Königs, Prinz Carl. Er versprach, die Angelegenheit beim König vorzustellen und entfernte sich.

 

 

Plötzlich 2 Schüsse auf dem Schlossplatz!

Am dem Schloss gegenüber liegenden dritten und vierten Haus des Schlossplatzes schoss fast zeitgleich das Mündungsfeuer zweier Militärgewehre nach oben. Jemand, der auf dem Schlossplatz ganz in der Nähe stand, glaubte sogar gehört zu haben, dass der Major von Falckenstein, nachdem zwei Schützen etwas vorgetreten waren und die Gewehre hoch angeschlagen hatten, „Feuer!“ befohlen hatte. Einer der nach oben losgegangenen Schüsse hatte den Hut eines Studenten aus Kurhessen gestreift, der in der Schutzkommission tätig war. Die andere Kugel war auf einem Dach in der Königstraße gelandet.

Das Gewehr des Grenadiers Kühn war angeblich am Säbel hängen geblieben und hatte sich vielleicht von selbst entladen. Nachdem in dem Gewühl ein Stockschlag den Zündstift getroffen hatte, konnte auch das Gewehr des Unteroffiziers Hettgen angeblich von selbst los gegangen sein.

Die Schüsse sollten beim Volk Angst auslösen. Einige flohen in die nächsten Häuser. Die Wirkung war bei der Mehrheit jedoch eine andere als erwartet.

Die Masse stob nach den Schüssen in panischer Angst in alle Richtungen auseinander stob, Der Schützenzug trieb die Flüchtenden weiter in Richtung der Brücke, an der das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten auf einem Sockel aus der Spree empor ragte.  Die Menschen retteten sich aus der Gefahrenzone, indem sie sich über die Lange Brücke auf die Königsstraße zurückzogen. Die Königstraße war eine zu beiden Seiten dicht mit hohen Häusern bebaute, eine der belebtesten Straßen Berlins.

Die Wut der unbewaffneten Bürger aus den besseren Ständen war unbeschreiblich. Die Mehrzahl war eben erst als Sicherheitsbeamte tätig gewesen. Viele von ihnen waren sonst ruhige, friedliche Männer und ausgezeichnete Bürger. Jetzt waren sie drauf und dran, in die Gewehre zu greifen. Voller Wut riefen manche: „Verrat! Rache!“  

„Militär schießt mang de Leute!“         „Die Dragoner hauen ein!“      „Militärbarbarei!“

Sogar „Der König schießt auf das Volk!“ wurde geschrieen.

 

Bis jetzt hatte trotz der drei gefallenen Schüsse noch niemand eine Schussverletzung.
Auf der anderen Brückenseite stellten die Menschen fest, dass sie nicht weiter verfolgt wurde. So blieb er an der Poststraßenecke stehen.

Der Polizeipräsident Minutoli begab sich nach diesen Schüssen sofort zum Schloss zurück. Im königlichen Vorzimmer angekommen verhinderte der Thronfolger, dass der Polizeipräsident zum König vorgelassen wurde. Minutoli versicherte den Umstehenden, dass der Auflauf, wenn das Militär nicht zurück gezogen würde, binnen einer Stunde zur Revolution anschwellen würde! Ihm wurde jedoch nicht geglaubt.
Daher machte sich Minutoli auf den Weg, um General von Pfuel zu suchen, der seinen Argumenten noch am ehesten zugänglich war. Nachdem er ihn nicht im Schloss gesehen hatte, begab er sich zuerst zur Kommandantur.

 

König Friedrich Wilhelm ging nach unten in die große Säulenhalle hinter Portal I, um sich mit den höheren Militärs zu beraten. Durch die Portalöffnung konnte er das Militär auf
dem Schlossplatz beobachten.

 

Der Thronfolger beordert eigenmächtig Truppen nach Berlin.

Da der Versuch mißlungen war, mit Hilfe der drei Schüsse die königlichen Verheißungen rückgängig zu machen, ließ der Thronfolger den Adjutanten des Gouverneurs, Major von Le Blanc, zu sich kommen. Ohne den König oder General von Prittwitz davon in Kenntnis zu setzen, erteilte ihm Prinz Wilhelm den Befehl, die auswärtigen Truppen vor der Stadt nach Berlin zu beordern. Als der Major aus dem Schloss trat, wurde er jedoch
tätlich angegriffen und floh ins Schloss zurück.

Der beurlaubte Hauptmann von Loos, der aus dem 2. Garde-Regiment ausgeschieden war und nun zum Berliner Garde-Landwehr-Bataillon gehörte, hielt sich zufällig im Schloss auf. Da er Zivilkleider trug, wurde der Befehl an ihn weiter gegeben. Er sollte
mit der schriftlichen Anweisung, die ihm Major von Le Blanc im Auftrag des Gouvernements ausgestellt hatte, über Charlottenburg die Kavallerie-Ordonnanzen der in der Umgebung kantonierenden Truppen mit der Anweisung versehen.

 

Eine 1. Straßensperre an der Poststraße über die Königstraße.

Kurz vor 3 Uhr eilte der langbeinige stattliche Tierarzt I. Klasse Friedrich Ludwig Urban mit seinem Hausknecht Reuters durch die Königstraße. In der Hand trug er ein Köfferchen mit den Instrumenten, um ein Pferd zur Ader zu lassen.

Plötzlich stürzte ihnen über die Lange Brücke eine Menschenmenge entgegen.

 

Die Schüsse auf dem Schlossplatz waren der Tropfen, der nach den Grausamkeiten der letzten Tage jetzt das Faß der Empörung zum Überlaufen brachte.

Spontan rief Urban: „Barrikaden!“ Der Ruf ging wie ein Lauffeuer durch die aufgebrachten Menschen.

Ein Pferde-Omnibus mit der Aufschrift <Berliner Omnibus Compagnie Thiergarten-AlexanderPlatz>, der normalerweise zwischen Alexanderplatz und Tiergarten hin- und
herfuhr und gerade an der Ecke der Poststraße hielt, wurde von den Männern angehalten. Nachdem die Fahrgäste ausgestiegen und die Pferde ausgespannt und weggeführt worden waren, wurde der vierrädrige Omnibus umgestoßen. Er bildete den Anfang der Straßensperre an der Ecke der Poststraße 1 quer über die Königstraße
zur Ecke der Heiligegeiststraße 23 gegenüber.
Es war erst eine Viertelstunde seit den Schüssen aus den Militärgewehren vergangen.

Der Tierarzt Urban war einer der ersten in der Königstraße, die sich eine Waffe besorgten. Mit einem Gewehr vom Büchsenmacher in der Hand forderte er auch andere auf, sich Waffen zu beschaffen.

 

 

 

Die ersten zehn Barrikaden in der Königsstraße.

Die Männer eilten in die Läden der Eisenkrämer. In der Königstraße 42 gab ihnen der Eisenhändler Harnack bereitwillig  die erbetenen Pickhacken. Damit begannen die Männer das Pflaster aufzureißen. Fuhrwerke jeder Art, die zufällig in der Königstraße oder den Nachbarstraßen waren, Frachtwagen, ein Postwagen, Droschken, Bauernwagen wurden an den entstehenden Schanzen umgekippt.

Die Anwohner schleppten in Windeseile verschiedenerlei Mobiliar auf die Straße, Schränke, Kommoden, Regale, Tische, Stühle, Waschkübel, Bettgestelle, Matratzen, Woll-, Lumpen-, Stroh- und Heusäcke, Wagenkissen, Regentonnen, Bodendielen,
Krempel und auch brauchbare Dinge vom Dachboden. Andere brachten Teile der hölzernen Brunnenverkleidungen und Rinnsteinbrücken. Alles wurde zu Wällen aufgetürmt. In etwa zehn Minuten war so eine Straßensperre entstanden.

Bald versperrte auch eine zweite und eine dritte Barriere an den beiden anderen Seiten die Königstraße. Einer der Organisatoren war ein 20-jähriger polnischer Medizinstudent mit Namen Oskar Feenburg, der in der Leipzigerstraße 11 wohnte.

Da sehr viele Männer an den Straßensperren mitarbeiten wollten, verteilten sie sich über die ganze Länge der Königstraße, so dass nach einiger Zeit an zehn Barrikaden gebaut wurde.

 

Der Schweizer Student Salis-Seevis ritt mit Freunden zum Oranienburger Tor, um die Arbeiter der Maschinenfabriken zu informieren und zum Kampf aufzurufen.

 

Generalmajor von Möllendorff befahl dem Füsilierbataillon der 2. Kompanie des 1. Garderegiments, in Richtung Kurfürstenbrücke vorzurücken. Die Lange Brücke wurde besetzt. Von der Brücke aus sah sich der Generalmajor den Bau der ersten
Barrikaden an.

 

Die ersten Opfer - Neugierige an Fenstern der Zeitungshalle.

Es war etwa Viertel nach 3 Uhr, als der König in der großen Halle im Erdgeschoss wieder Schüsse, diesmal aus der Richtung der Friedrichwerderschen Kirche hörte. Der erste militärische Angriff war auf eine Barrikade an der Werderstraße/Ecke an der
Oberwallstraße 12/13 erfolgt, dort wo die Berliner Zeitungshalle war. Die Straßensperre war aus zwei umgestürzten Droschken, einer Kutsche, dem umgelegten Schilderhaus, Fässern und Rinnsteinbrücken vor der Preußischen Staatsbank gebaut worden und
lehnte sich mit einer Seite an das Gouvernementsgebäude an. Sogar die schweren gußeisernen Laternen des Gouvernementsgebäudes hatte man mit eingebaut.
Die Schüsse hatten zwei Neugierige in den Fenstern der Berliner Zeitungshalle getroffen, den Restaurateur im Rauchzimmer, und im dritten Stock die 32-jährige Dienstmagd Caroline H. Kleinfeld.  Diese beiden waren die ersten Opfer auf der Seite des Volkes.

 

General von Prittwitz verkündete den Angriffsplan:

General von Prittwitz verkündete den folgenden Angriffsplan:
Mit Gewalt wollte er einen bedeutenden Teil der Stadt zwischen Unterbaum, Potsdamer Tor und Königstädtischem Theater in Besitz nehmen, festhalten und die Wirkung auf die Bevölkerung beobachten. Die noch unbesetzten Geldinstitute des Staates in der Jägerstraße, die Bank - im gleichen Haus war die Wohnung des Gouverneurs Pfuel - und die Seehandlung sollten verstärkt bewacht werden. Falls der Widerstand nicht gebrochen würde, wollte der General die Garnison aus der Stadt ziehen, diese eng einschließen und an einigen Punkten beschießen lassen. Berittene Offiziere, die im Hotel de Russie einquartiert waren, brachten diese Befehle auch zu den auswärtigen Truppen vor der Stadt.

 

Tierarzt Urban ruft zum Kampf auf.

Ludwig Urban war einer der ersten, die mit der Waffe in der Hand zum Kampf aufrief. Er war 15 Jahre lang beim Militär gewesen, davon 13 Jahre beim Regiment Garde du Corps, die meiste Zeit in Potsdam.

Er stand mit Paul Bröckelmann, dessen Hauswirt Kratzenberg aus der Jüdenstraße 7 und dem Zahnarzt Thiele aus der Königstraße 43 zusammen hinter der Barrikade an der Poststraße. Der Jura-Student Paul Börner gesellte sich mit seinem Freund Lange zu den Barrikadenkämpfern an der Poststraße.
Als der Premierleutnant von Schlegel über die Barrikade kletterte, fiel ein Schuss aus der Beletage des zur rechten Hand liegenden Eckhauses der Königs- und der Burgstraße so schwach wie der aus einer Pistole.

An der Königsbrücke nahm das Militär Aufstellung genommen. Plötzlich wurde Leutnant von Schlegel von einem Rehposten an der Schulter getroffen. Erschrocken faßte er sich an den Hals.  Es floß kein Blut. Auf dem Boden sah er eine Bleikugel liegen. Er bückte sich, um sie als Andenken aufzuheben. Triumphierend zeigte er sie den Umstehenden. General von Ditfurth, freute sich so sehr darüber, dass ein Gefecht nun unvermeidlich sei, dass er seinen Geldbeutel herauszog. Kurz bevor die Kolonne sich in Bewegung setzte, schenkte der Kommandant von Berlin, General von Ditfurth, seinem Sohn, der als Leutnant bei dem Bataillon und neben Premierleutnant von Schlegel stand, einen Friedrichdor.

Ein weiterer Schuss traf den Unterarm eines Unteroffiziers. Major Oelrichs meldet dies an General von Prittwitz. Oberkommandierende General sagte: „Nun kann und darf ich nicht länger warten. Bald wird es dunkel sein, und bis dahin muß ich gesicherte Position haben.“

 

 

Pulver in Schnupftüchern, Tonmurmeln als Munition.

Zunächst hatte nur Urban ein Feuergewehr, als die ersten Flintenkugeln in Richtung der Männer an der Barrikade sausten.

Zum Glück kam aus der Poststraße der Büchsenmacher Gehrmann (Poststraße 9) mit mehreren Flinten. Er konnte diese noch rechtzeitig verteilen, bevor der nächste Angriff erfolgte. Jüdische Kaufleute brachten Pulver in Schnupftüchern. Studenten verteilten
das Pulver. Einer von ihnen war 21jährige Oskar Feenburg.

 

Es herrschte Mangel an Kugeln. Die Taschen eines 12-15- jährigen Straßenjungen, der tüchtig an den Barrikaden mitgearbeitet hatte, waren voller gebrannter Tonmurmeln, mit denen er sonst zu spielen pflegte. Er lief von einem Mann zu nächsten und verteilte sie als Munition.

 

Viele der reichen Bürger in der Königstraße ließen die Haustüren offen und erlaubten, dass sich bewaffnete einfache Leute aus dem Volk an den Fenstern ihrer Wohnung postierten.

 

Lesen Sie weiter in meinem Buch:

"1848 zwischen Schloss und Alexanderplatz. 33 bedeutende Stunden in der deutschen Geschichte", Norderstedt 2008.

ISBN 978337015898

Erhältlich in jeder Buchhandlung zum Preis von 24,80 €.

 

Diese Neuauflage des Buches von 2001 (Zwischen Schloss und Alexanderplatz) enthält zusätzlich im Anhang ein Theaterstück von Alexander Schröder:

1848 - Die Revolution hinter der Fassade.

 

Es ist eines der wenigen Theaterstücke zum 18./19. März 1848.  Anläßlich des 160. Jahrestages der Märzrevolution wurde es im Roten Rathaus in Berlin uraufgeführt.

Eine Rezension zu diesem Buch zum 18. März 1848:

Die Fragwürdigkeit normaler "Geschichtsbücher" zu diesem Thema wird im Vergleich zu diesem Buch besonders deutlich; denn häufig wird nur die "Proklamation " von Friedrich WIlhelm IV an "die lieben Berliner" zitiert und als obrigkeitsstaatlich interpretiert. Aus den in diesem Buch ausführlich geschilderten Umständen am Hof, der Uneinigkeit und schließlich dem Zerwürfnis zwischen Friedrich WIlhelm und seinem Bruder Wilhelm, der schließlich ins Exil gehen musste, das eigentlich in Moskau sein sollte, er dies bei seiner Flucht aber in London umwandelte - alles natürlich in eine spannend geschilderte Rahmenhandlung eingebaut -; dem heillosen Durcheinander beim Militär, dem Umstand, dass dieses die "fachmännisch" gebauten Barrikaden nicht einfach wegräumen konnte und daher bestimmte Straßenzüge nicht freigekämpft werden konnten; das Militär teilweise schlecht versorgt wurde und manche Truppenteile den ganzen Tag nichtszu essen hatten. Hinzu kommt das große Durcheinander in der Stadt und auch im Schloß! In dieses konnten offensichtlich auch Bürger zeitweise einfach hineingehen!

Schließlich die Schaffung einer mit Gewehren bewaffneten "Bürgerwehr" zur Herstellung der Sicherheit in Stadt und Schloss!! (Die Bürgerwehr schützte auch den König!!)

Das Buch bietet einen Blick in das pralle, jedoch nicht ungefährliche Leben der 400 000 Berliner, von denen ca. 200 in diesen Tagen ihr Leben verloren und ca. 20 beim Militär. Besondere Helden sind Urban, ein geschickter Erbauer von Barrikaden, der Bürgermeister Naunyn - nach ihm ist die Straße gleichen Namens benannt -, Neander ev. Bischof, Minutoli und immer wieder Stadtrat Nobiling, der in diesen Tagen ein ungeheures Laufpensum zwischen Schloss und Barrikaden manchmal auch unter Gewehrbeschuss absolvierte, wobei er zu vermitteln versuchte.

                                                                Dr. E. R..., Berlin

 

 

Aus Anlass des 170. Jahres der Märzrevoloution 1848:

Sonderverkauf meiner Biografie des Barrikadenhelden vom Alexanderplatz, Tierarzt Friedrich Ludwig Urban!

Signierte Exemplare der 1. Buches der Autorin, das vor 20 Jahren erschienen ist,  können Sie für 30 € bestellen.

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Ich schreibe Ihnen auch gerne einen netten Text ins Buch.